Antiporno (JP 2016)

Antiporno (JP 2016)

Nikkatsu, das älteste Filmstudio Japans, fing in den 1970er-Jahren an Pornofilme zu drehen, um sich über Wasser zu halten, und produzierte einen Kassenschlager nach dem anderen.

Ende der 1980er-Jahre war das goldene Zeitalter des Mainstream-Pornos aber langsam vorbei und 1993 ging Nikkatsu Konkurs. Die Firma wurde später verkauft und wiederbelebt. Mit «Antiporno» produzierte das Studio einen Film, der sich mit dem Thema Pornografie auseinandersetzt und als künstlerische Hommage und Kritik an die Porno-Zeit Nikkatsus verstanden werden kann.

Die Hauptprotagonistin, die 21-jährige Kyoko, ist eine renommierte Künstlerin voller gespielten Selbstvertrauens. Ihre manische Seite lässt sie am liebsten bei ihrer 36-jährigen Assistentin raus; mit kunstvoll inszenierten Schlägen und sexuellen Erniedrigungen. Der Schauplatz ihrer Launen bleibt grösstenteils ihre farbenfrohe Studiowohnung. Plötzlich schreit ein Regisseur: «Cut!», und ihre Wohnung entpuppt sich als Filmset. Die Rollen der herrischen Künstlerin und der submissiven Assistentin vertauschen sich und die Machtverhältnisse verschieben sich samt den dazugehörigen Schlägen. Schon bald wird weitergedreht und jetzt wird klar, dass es sich um einen Pornodreh handelt. Die zwei fiktionalen Realitäten vermischen sich und es ist oft uneindeutig, bei welcher Realität wir gerade zuschauen. Vielmehr befinden wir uns im wirren Kopf der Hauptprotagonistin, die einmal nackt und niedergeschlagen auf dem Klo sitzt, um im nächsten Moment fröhlich und herrisch in ihrer Wohnung herumzuspringen und ihre Assistentin zu demütigen.

Der Regisseur Sion Sono dekonstruiert nicht nur das Medium Film, sondern auch die Pornoindustrie, die starren Geschlechterrollen Japans, die dazugehörende Frauenfeindlichkeit und den voyeuristischen Blick des Publikums. «Antiporno» ist von einer Künstlichkeit durchtränkt, und der Film ist ein Fest für die Sinne, die ganz klar auch überstrapaziert werden. Die farblich perfekt abgestimmte Szenerie, die lustigen Tiraden von Kyoko, die verspielte Porno-Ästhetik, der surreale Schnitt… was will man mehr?

Der Film kann in der Videothek «Les Videos» an der Zähringerstrasse 37 in Zürich ausgeliehen werden.

Dario Iannotta absolviert derzeit das Masterstudium in Filmwissenschaft und Kunstgeschichte an der Universität Zürich. Er arbeitet als Film Programmer, freier Filmkritiker und freier Pornodarsteller.

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