Schillerndes Schiffsblech

Schillerndes Schiffsblech

Auf dem Weg zum Werk «Flip Flop» von Clare Goodwin funktionierte plötzlich mein Google Maps nicht mehr. Völlig hilflos und überfordert musste ich überlegen: Wie hat man das früher gemacht?

Ich wusste zum Glück den Strassennamen und die Nummer und machte mich auf die Suche. Ein älterer Herr fand mich auf einem Parkplatz und grüsste mich mit einem neugierigen Blick und einem «Grüezi?». Meine beste Freundin Tanja schickte mir Wegbeschreibungen, doch der Mann hatte mir bereits den Weg erklärt. Entlang der – nun korrekten – Strasse, erkannte ich in der Ferne, an einem knallroten Kran vorbei, die Kantonsschule Büelrain.

 

In der Eingangshalle sah ich fünf beinahe zehn Meter grosse Paneele aus Schiffsblech von der Decke hängen. Clare Goodwin ist für ihre geometrischen Formen bekannt, die ihre Malerei, Keramik und Assemblagen bestimmen. Im Rahmen des Neubaus gewann die Künstlerin mit ihren unregelmässigen Pentagons und Hexagons den Kunst-am-Bau-Studienauftrag mit dem Titel «Orte der Begegnung». So schweben nun im Atrium die Formelemente mit vier mattlackierten Nuancen von Schwarz auf der einen und einer glänzenden Changier-Lackierung auf der anderen Seite. Je nach Blickwinkel und Lichteinfall verändern sich die Farben, weshalb jene Beschichtungstechnik auch als «Flip-Flop-Lackierung» bezeichnet wird. Ein Motor versetzt die Assemblage in Bewegung und verstärkt den farbwechselnden Effekt, wodurch man immer wieder neuen Variationen begegnet.

Während meines Besuchs schien die Sonne durch die Deckenfenster und erleuchtete das Innere des Neubaus. Vom Erdgeschoss aus waren die Paneele orange, rosé und senfgelb gefärbt. Aus der Perspektive des ersten Stockwerks wechselten sie jedoch zwischen blau und violett, zum Teil mit Farbverlauf. Zuoberst angekommen, sah ich dunkelblau, violett und bordeaux. Ich wunderte mich, welche Farben das Werk an einem düsteren Tag reflektiert – oder wenn morgens die Sonne noch nicht aufgegangen ist und das künstliche Licht auf die Lackierung scheint.

 

Auf dem Rückweg passierte ich den Kran erneut – zusammen mit einer Gruppe lauter Teenager, deren Unterricht soeben geendet hatte. Ich ging in Richtung Bahnhof, nun den Weg kennend, in Gedanken bei dem eventuellen Kauf eines neuen Handys und dem Flip Flop mit all seinen schillernden Farben. Die Sonne begann unterzugehen. Welche Farben die Schiffsbleche jetzt wohl haben?

Chelsea Angel Neuweiler studiert Kunstgeschichte und Germanistik an der Universität Zürich.

Jonas Reolon ist Fotograf und Kameramann aus Winterthur.

In der Artothek dreht sich alles um öffentlich zugängliche Kunst am Bau.

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