Idyllisches Gruselschloss

Idyllisches Gruselschloss

Umgeben von Grün – das gilt sowohl für das Schloss Kyburg in der Wandmalerei von Jean Affeltranger als auch für dessen Betrachter*innen, wenn sie davorstehen.

Das Schloss thront auf einem Hügel, umgeben von kiefer-, lind- und limettengrünen Bäumen und Sträuchern. Im Hintergrund erstreckt sich eine flache Landschaft und rechts sind Riegelhäuser und die Kirche Kyburgs abgebildet. Der blaue Himmel sorgt für friedvolle Stimmung – ich stelle mir Vogelgezwitscher vor.

Das Gemälde ist umgeben von pistaziengrüner Wandbemalung, die den gesamten Eingangsbereich des Schulhauses Eichliacker einhüllt. Die farbliche Übereinstimmung überrascht nicht: Bei dem Werk handelt es sich um ein Kunst-und-Bau-Projekt und es wurde folglich beim Bau des Gebäudes miteingeplant.

Die Kyburg gehört zu den besterhaltenen Burgen der Schweiz und besitzt eine beinahe tausendjährige Geschichte. Der mittelalterliche Wehrbau war ursprünglich Stammsitz der Grafen von Dillingen-Kyburg und gelangte 1264 in den Besitz der Habsburger. In der Neuzeit wurde die Burg in ein Schloss umfunktioniert: Vom 15. bis 18. Jahrhundert residierten hier Zürcher Landvögte. Als der Winterthurer Jean Affeltranger die Kyburg 1902 malte, war sie bereits ein Museum.

Doch so idyllisch die sonnige Abbildung des Gebäudes wirkt, so gruslig sind gewisse Teile seines Innenlebens: Bis heute sind in der grossen Waffenkammer zahlreiche Rüstungen und Waffen, darunter viele Hellebarden, zu betrachten. In der Mitte des Raums steht die Eiserne Jungfrau: Ein über zwei Meter hoher Eisenkörper, dessen hohles Inneres von zahlreichen Pfählen durchbohrt wird. Der Eindruck eines mittelalterlichen Folterinstruments täuscht jedoch – Eiserne Jungfrauen tauchten nämlich erst im 19. Jahrhundert auf und wurden als Schaustücke konzipiert, um Besuchende anzulocken. Ihre bedrohliche Erscheinung fügt sich nahtlos in die dunkle Atmosphäre der Waffenkammer ein und erinnert an finstere vergangene Zeiten. Ich stelle mir vor, wie sich die Burg an kalten und düsteren Tagen angefühlt haben muss. Der Wind wird durch die kalten Räume gepfiffen haben. Der Himmel war marineblau, die Natur schwarzgrün und die Fassade kohlengrau gefärbt. Kein Wunder, gibt es so viele Spukgeschichten über Burgen und Schlösser … Nun, Pistaziengrün ist sicherlich einladender als eine Eiserne Jungfrau im Eingangsbereich des Schulhauses.

Chelsea Angel Neuweiler studiert Gemanistik und Kunstgeschichte an der Universität Zürich.

Jonas Reolon ist Fotograf und Kameramann aus Winterthur.

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