September & July (September Says) (DE / GB / IE 2024)

Knurrende Mädchen, ein Blutschwur im Badezimmer und ein Regenwurmterrarium. It’s another #feralgirlsummer und wir sind mittendrin.

Dieses Gefühl vermittelt zumindest das Feature Film Regie-Debüt von Ariane Labed, die man zuvor als Schauspielerin in Filmen wie «Attenberg» und «The Lobster» gesehen hat. Für diejenigen, die sich etwas mit der sogenannten Greek Weird Wave auskennen, folgen daraus wohl schon bestimmte Erwartungen, von denen manche durchaus bestätigt werden. Das Coming-of-Age-Familiendrama «September & July» ist zwar kaum griechisch, aber definitiv weird.
Es beginnt mit dem entkörperten Kichern von zwei Mädchen, bevor das Bild überhaupt einsetzt. Dann sieht man die titelgebenden Schwestern, September und July, in einer Badewanne, wo sie sich gegenseitig die Gesichter bemalen und sich in einer geheimen Sprache Dinge zuflüstern. Wegen der desorientierenden Nahaufnahmen und Jump Cuts weiss man kaum, wo September aufhört und July anfängt. Somit etablieren schon die ersten Einstellungen das zentrale Motiv der eigentümlichen Einheit der Schwestern. Dieses wird beispielsweise durch eine spätere Aussage von September («We’re not eating any more red food») bekräftigt, woraufhin July prompt ihre Tomate ausspuckt. Es wird klar, dass die beiden als eins agieren, aber auch, dass September das Benehmen des Duos diktiert. Zwar ist sie July gegenüber sehr beschützerisch, aber eben auch sehr herablassend und bevormundend, nennt sie oft «Silly July» und pfeift sie zu sich wie einen Schosshund.
«September & July» lebt gerade von dieser Spannung zwischen individuellen Bedürfnissen und kollektiver Identität sowie dem asymmetrischen Machtverhältnis zwischen den Schwestern, das ironischerweise oft in symmetrischen Bildkompositionen verhandelt wird. Die Stimmung des Films wird zunehmend unangenehm, latente Gewaltbereitschaft wird zu vereinzelten Akten von Gewalt und man fühlt, dass eine Eskalation unausweichlich ist. An dieser Stelle möchte ich die schauspielerischen Leistungen von Mia Tharia (July), Pascale Kann (September) und Rakhee Thakrar als Sheela, ihre Mutter, loben. Die drei sind das schlagende Herz des Filmes und finden in ihren Darstellungen scheinbar problemlos eine Balance zwischen unnahbar-bizarr und unglaublich menschlich. Sie zeigen: Menschsein ist fundamental komisch, gerade als Teenager.
«September & July» ist bei weitem kein perfektes Debüt und zeigt vor allem im letzten Akt seine Schwächen, wo sich das Geschehen etwas in Genre-Klischees verrennt. Dennoch glänzt der Film dank der Leistung der drei Hauptdarstellerinnen und seiner Atmosphäre von stiller Unheimlichkeit, weshalb ich ihn allen ans Herz lege, die ihre Coming-of-Age-Filme gerne mit einer Prise weird geniessen.

«September & July» wird am 8., 9., 16. und 17. August im Cameo gezeigt. 

Vivi steht auf Filme über Frauen mit Biss.

 

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