Das Internet zwischen Gut und Böse

Bewegen wir uns im virtuellen Raum des Internets, wird jeder einzelne Schritt von uns registriert. Der Internetnutzer bewegt sich unter konsequenter Überwachung. Mal möchte eine Werbefirma wissen, wie das Nutzungsverhalten des Users aussieht, mal ist es ein Geheimdienst, der uns ausspäht. Ein aktuelleres Beispiel ist Prism, das Programm des amerikanischen Geheimdienstes NSA, welches sinnbildlich für die Sammelwut der Firmen und Regierungen steht. Pausenlos werden Daten über unser Onlineverhalten gesammelt. Sogar vor Bundeskanzlerin Merkel wurde keinen Halt gemacht. Bei Facebook kann mitgelesen werden, bei Skype wird spontan mitgehört. Alle unsere privaten Daten können ohne Problem angezapft werden. Mit Hilfe dieser Daten können die Geheimdienste der Vereinigten Staaten genaueste Profile unserer Person erstellen. Verschlossene Türen scheint es keine zu geben. Im Allgemeinen werden regelmässig Befürchtungen geäussert, dass der gläserne Mensch ohne Geheimnisse zum Standard werde. Mit der verstärkten Überwachung entstehen aber auch mehr und mehr Möglichkeiten, sich unerkannt im Internet zu bewegen.

Das Internet ist wie ein Eisberg: Die Spitze über dem Wasser ist das sogenannte «Surface Web», jener Teil, den die normalen Internetuser kennen. Unter der Wasseroberfläche befindet sich das «Deep Web», das versteckte Web. Hier befindet sich alles, was von Suchmaschinen wie Google, Bing oder Yahoo nicht gefunden wird. Laut einer Studie der Firma Bright Planet ist das Deep Web zwischen 400- und 550-mal grösser als das Surface Web. Genauere Zahlen gibt es nicht. Otto-Normalsurfer benutzt also nicht einmal einen Bruchteil von dem, was eigentlich vorhanden wäre. Das Deep Web beinhaltet beispielsweise themenspezifische Datenbanken. Diese können die grossen Suchmaschinen nicht archivieren.

Neben dem Deep Web gibt es in den unbekannten Tiefen aber noch weitere Netzwerke: die «Darknets». Diese funktionieren technisch gleich wie das «normale» Internet, doch mit dem Unterschied, dass nur eine begrenzte Anzahl Teilnehmende sich in dem Netz bewegen kann. Sie müssen in ein bestehendes Netzwerk eingeladen werden oder können selber eines erstellen. Wie viele solcher Netzwerke existieren, ist nicht bekannt, da es ihr Ziel ist, unentdeckt zu bleiben. Sie dienen dem anonymen Datenaustausch oder der Vernetzung von Regimekritikern in absolutistischen Staaten. Natürlich werden solche Netzwerke auch von Kriminellen verwendet, denn die Anonymität ist in einem Darknet geradezu absolut gewährleistet.

 

Die Technik hinter der Anonymität

Es gibt Programme, die eine Brücke zwischen «normalem» Internet, dem Deep Web und den Darknets schlagen und eine erhöhte Sicherheit bezüglich der eigenen Privatsphäre garantieren. Dazu gehören etwa «Freenet» (https://freenetproject.org) oder «I2P» (The Invisible Internet Project - http://geti2p.net). Diese sind aber bei Weitem nicht so populär wie «TOR», was für «The Onion Router» steht.

Die Geschichte von TOR begann 2002. Die TOR-Software wurde anfangs mit der Unterstützung diverser amerikanischen Militärabteilungen entwickelt. Später wurde das Projekt vom «Free Haven Project» sowie einer NGO gefördert, die sich für die Grundrechte der Menschen im Internet einsetzt. 2012 finanzierte sich das TOR-Projekt zu 40 Prozent aus privaten Spenden und zu 60 Prozent durch Zuwendungen des US-Militärs. Der Grundgedanke des Netzwerkes war die Sicherung von Regierungsnetzen. Heute wird TOR aus einer Vielzahl von Gründen von vielen unterschiedlichen Menschen gebraucht.

Doch wie funktioniert TOR und wie stellt es die Anonymität im Netzt her? Der Browser leitet die Anfrage des Users direkt auf einen Einstiegspunkt. Diese Einstiegspunkte zeichnen sich durch eine hohe Verlässlichkeit bezüglich ihrer Erreichbarkeit aus. Die Anfrage wird dann nacheinander über zwei weitere Server weitergeleitet. Erst dann erreicht die Anfrage das Ziel, also die Seite, die aufgerufen werden soll. Durch die Umleitung wird eine Überwachung nahezu unmöglich gemacht. Am Ende kennt jeder Server nur jenen vor ihm und nach ihm. Auch die Betreiber von Webseiten haben keine Informationen über die Person, welche die Seite aufgerufen hat. 

Nicht nur anonymisiert TOR den User – auch führt er wie ein Tunnel unter virtuellen Schranken hindurch. Wenn jemand in China beispielsweise die Seite XY aufrufen will, die aber von der Regierung gesperrt wurde, kann dank der Umleitung die Seite trotzdem erreicht werden, da die meisten Ausgangsserver in Europa und den USA stehen. Das Internet in Europa und den USA ist laut der «Open Net Initiative» unzensiert. Ausgenommen sind selbstverständlich Internetseiten mit Inhalten, die gegen das Gesetz verstossen. Weiter gibt es im TOR-Netzwerk auch die sogenannten «Hidden Services». Diese Seiten sind mit den üblichen Browsern (Firefox, Opera etc.) nicht erreichbar und garantieren auch als Betreiber einer Seite einen erhöhen Schutz. Dies ist hilfreich, wenn etwa sensible Daten veröffentlicht oder illegale Geschäfte abgewickelt werden sollen. Diese Seiten sind nur innerhalb des TOR-Netzwerks abruf- und sichtbar.

 

Eintritt ins Unbekannte

Die nur über TOR erreichbaren Seiten haben kryptische Adressen, welche keinerlei Hinweis auf deren Inhalt geben. Sie sehen etwa so aus: jh32yv5zgayyyts3.onion. Diese Adressen enden immer auf .onion. Das Darknet des TOR funktioniert ganz anders als das Internet, wie wir es kennen und brauchen. Suchmaschinen gibt es zwar, doch sind diese bei Weitem nicht so gut wie Google oder Yahoo. Eine viel kleinere Anzahl Websites sind von diesen Suchmaschinen erfasst. Die Suche von Seiten erinnert an die Prä-Google-Ära: Sie besteht hauptsächlich aus dem Durchklicken von Linkseiten. Da gibt es beispielsweise das «Hidden Wiki» (eine Seite, die an Wikipedia erinnert), Onionlist oder das TORWiki. Das Durchsehen der Links zeigt, wie ein Internet ohne Kontrolle aussehen kann. Die Links sind fein sortiert in Gruppen: Finanzielle Dienste, bei denen Bitcoins oder auch Geldwäsche angeboten werden, Verkaufsseiten für Waffen und Pässe oder simples Filehosting/-sharing. Auch pornografische Seiten sind verlinkt. Angeblich gibt es eine grössere Anzahl von Seiten mit sexuellen Handlungen an Minderjährigen. Die Sonntagszeitung hatte letztes Jahr einen Artikel veröffentlicht, in dem beschrieben wurde, wie die Autoren über TOR auf der Seite «The Silk Road» Drogen bestellt hatten, die dann tatsächlich vom Pöstler gebracht wurden. «The Silk Road» ist wie die Auktionsplattform Ebay aufgebaut, inklusive Kundenbewertung. Drogen jeglicher Art sind bestellbar. Laut dem Bericht der Sonntagszeitung sind auch Bestellungen vom Ausland in die Schweiz möglich. Der Postbote wird dabei zum Kurier. Auch Auftragsmörder können angeblich gebucht werden. Und falls jemand einen gefälschten amerikanischen Führerschein möchte, gibt es auch dafür einen Händler. Eigentlich kann man alles bestellen, was man möchte. Es gibt angeblich auch Dinge, von denen man lieber nichts wissen möchte. Der Autor der Seite brainm0sh.de erzählt auch, wie er auf «Reddit» Beiträge über die Hidden Services in TOR entdeckte, die ihm Angst machten. So habe er ein Forum entdeckt, in dem Kinder zum Verkauf angeboten werden und auch die Geschichte eines Arztes kursiere, der angibt, menschliche Puppen herzustellen und zu vermieten.

Der Nachteil dieser Seiten ist, dass man nie genau weiss, was der Wahrheit entspricht und wohinter sich Betrug versteckt. Auf TORWiki werden die meisten Seiten mit kaufbaren/mietbaren Diensten, also Killer oder etwa Hacker, als Fake abgetan. In der Welt des Darknets ist es tatsächlich schummrig. In diesen Bereichen des Netzes beschleicht einen ein komisches Gefühl. Sind das die Abgründe der Menschheit, die ansonsten verborgen bleiben?

 

Nicht schlecht – nicht gut

Darauf angesprochen, meint Hernani Marques vom Chaos Computer Club (CCC): «Die Anzahl der kriminellen Angebote im TOR betragen nur etwa einen Prozent.» Dasselbe sagt auch der Aktivist Peter von der Swiss Privacy Foundation, die sich genau wie der CCC für Datenschutz im Internet einsetzt. Peter möchte nicht mit richtigem Namen erwähnt werden. Es seien nicht die negativen Aspekte zu betonen, sondern die positiven. Peter hat schon früh angefangen, einen eigenen TOR-Server zu betreiben und ist nach und nach in die Szene hineingekommen. Für ihn war das Thema Datenschutz schon immer wichtig und Motivationsgrund für das Betreiben eines Servers. TOR ist für ihn ein wichtiges Mittel zum Schutz der Daten. Auf die negativen Seiten angesprochen, meint Peter, dass man es von einer anderen Seite her betrachten solle. Diese Auswüchse gebe es, doch müsse im TOR unterschieden werden zwischen den technischen und den gesellschaftlichen Ansprüchen. Man müsse in der Gesellschaft Diskurse über Themen wie Kinderpornografie und Drogen führen – TOR sei ein Werkzeug dazu. Weiter ist Peter der Ansicht, dass Ingenieure eine gesellschaftliche Verantwortung tragen. Es sei wichtig, die Frage zu stellen, wozu ein Werkzeug entwickelt wird. Dann müsse man schauen, was die Folgen des Einsatzes sind. Bei TOR überwiegen seiner Meinung nach die positiven Aspekte deutlich, denn es würden mit TOR «wichtige Grund- und Menschenrechte gestützt». Aber natürlich dürfen laut Peter die negativen Seiten nicht vergessen werden: «Drogen werden angebaut, geliefert, konsumiert und von Menschen in der realen Welt missbraucht.», führt er aus. «Darum gibt es auch weiterhin effektive Möglichkeiten, einzuschreiten und Straftäter zu verfolgen. »

Peter verurteilt die Nutzung von TOR für illegale Zwecke, spricht sich aber gegen eine Zensur aus. Genau dieser möchte er ja entgegenwirken.

 

Selbstjustiz im Netz

2011 veröffentlichte Anonymous, wahrscheinlich die bekannteste Hackergruppe weltweit, eine Liste mit etwa 1600 Namen von angeblichen Usern der Seite «Lolita City», eine Handelsseite von Pädophilen – ein Beispiel für Selbstjustiz im Internet. Auf diesen konkreten Fall angesprochen erläutert Marques, wie schwierig das Thema ist. Für ihn ist die Veröffentlichung dieser Daten falsch, Selbstjustiz sei in solchen Fällen keine Option. Insbesondere sei es verwerflich, personenbezogene Daten unklarer Herkunft ungeprüft [C1] zu veröffentlichen, da man nicht wisse, wer wirklich ein Straftäter sei und so Personen zu schaden kommen könnten, die eigentlich unschuldig seien. Nach wie vor müssten in solchen Fällen die Behörden valide Beweise erbringen. Bei Aktionen gegen den Staat, wie der Veröffentlichungen zu Prism von Edward Snowden, sähe das anders aus. Diese dienten der Transparenz und der Kontrolle des Staates durch die Zivilgesellschaft. Die Daten seien in diesem Fall auch sorgfältig aufbereitet worden. Im Allgemeinen sind Peter und Marques beide der Ansicht, dass das Internet die Demokratie voranbringen kann, für die Demokratie essenziell ist und Transparenz herstellt. Ein Beispiel dafür ist die Organisation «Telecomix», die während des Arabischen Frühlings den Menschen TOR näherbrachte und so deren Sicherheit und den Zugang zu Informationen vor Ort gewährleistete.

Zum Beispiel in der Türkei dürfte TOR vermehrt auf Interesse stossen. Laut einer Studie der Stiftung für wirtschaftspolitische Forschung in der Türkei (TEPAV) bewegt sich das Land in Bezug auf die Netzpolitik in die Nähe von China. Es kommt vermehrt zu Unruhen aufgrund eines neuen Gesetzes, das laut der Opposition des Regimes von Erdoğan die Zensur fördert. Der Gesetzesentwurf sieht unter anderem die Möglichkeit der Sperrung von Internetseiten ohne Gerichtsbeschluss vor. Zusätzlich sollen die Behörden das Recht bekommen, das Surfverhalten von Internetnutzern aufzuzeichnen und zwei Jahre lang zu speichern, wie die deutsche Tagesschau berichtete. Dank TOR kann die türkische Bevölkerung nach wie vor auf alle Webseiten zugreifen. Und es werden weitere Fälle folgen, bei denen TOR als wirkungsvolles Werkzeug gegen die Internetzensur Gutes leisten wird.

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