Der Tubel ist zurück

Der Tubel ist zurück

Mit dem Song «Tubel Trophy» feierte Baby Jail vor 20 Jahren ihren grössten Hit. der Winterthurer Roman Wasik begleitete die Zürcher Kult-Band auf ihrer Reunion-Tour mit der Kamera.

Baby Jail waren Kult – ihre Konzerte legendär. Mit komischen Sketchen unterhielten sie ihr Publikum, spielten Blockflöte oder Handorgel und parodierten auch mal bekannte Rocksongs. Innert kürzester Zeit wurde die Zürcher Band um Frontmann Boni Koller und Bassistin Bice Aeberli Ende der 80er-Jahre zu einer der gefragtesten Bands in der Deutschschweiz. Ihre Hits wurden landauf, landab im Radio gespielt. Beliebt waren sie vor allem wegen ihrer lustigen Songtexte und ihrer ausgelassenen Freude am Nonsense. Koller und Aeberli waren die Hofnarren der Postpunkbewegung, die mit aufgesetzter Unbeholfenheit falsche Töne sangen. Ihr grösster Hit «Tubel Trophy», eine Parodie auf die rechtsdumpfen Stammtischpolitiker, schaffte es 1992 in die Schweizer Hitparade und gehört auch heute noch zu einem der bekanntesten Schweizer Songs überhaupt.

Nun sind Baby Jail wieder zurück – 18 Jahre, nachdem sie sich aufgelöst haben. Vor einem Jahr beschlossen Koller und Aeberli auf Reunion-Tour zu gehen und liessen sich dabei von einem kleinen Filmteam mit der Kamera begleiten. «Das wird dann aber nicht auf Tele-Züri ausgestrahlt, sonst kannst du es gleich vergessen!», rezitiert Roman Wasik den bissigen Kommentar von Aeberli auf seine Anfrage, einen Dokumentar lm über das lauteste Cabaret der Schweiz zu drehen. «Die beiden sind sich aber bewusst, dass sie mit ihrer Band etwas Grosses erschaffen haben», sagt Wasik, der bei Tele Züri als Reporter arbeitet und in Winterthur als Frontmann der Band Slartybartfast bekannt ist. Auf die Idee, einen Film über die Reunion-Tour zu drehen, kam er durch seinen Bandkollegen, dem Gitarristen Nico Feer. Dieser wurde von Baby Jail angefragt, ob er zusammen mit dem Schlagzeuger Aad Hollander vom Trio from Hell Koller und Aeberli auf der Tour begleiten wolle.


Eine Reise in die 80er-Jahre

«Irgendjemand hatte an dem Abend noch Geburtstag», erinnert sich Koller und erklärt, warum er an dem Neujahrsabend 1986 unbedingt aus einer Geburtstagstorte klettern wollte. Koller steht zusammen mit Aeberli im Sexkino Walche und erzählt dem Filmteam vom ersten Baby Jail-Konzert. Der Dokumentar lm begleitet die Zürcher Band zurück in die 80er-Jahre, an die Orte, wo die ersten Konzerte oder politischen Aktionen stattfanden, wie zum Beispiel in Rapperswil. Dort hisste das Cabaret 1988 die Zürcher agge und ärgerte mit ihrem nicht ganz ernst gemeinten Song «Rapperswil ZH» die St. Galler. Eine Aktion, die nicht ohne mediale Konsequenzen blieb.

«Ich wollte eine Parallelgeschichte erzählen», sagt Wasik. Der Film versucht herauszuarbeiten, warum Baby Jail in den späten 80er-Jahren Kultstatus erreicht haben. Zugleich wird die neue Formation um Koller und Aeberli von der ersten Probe bis zum ersten Konzert begleitet.

«Dilletantisch!»
Der Dokumentar lm lässt auch Zeitzeugen zu Wort kommen. Zum Beispiel Radiomoderator François Mürner, der sich den Anweisungen der Redaktion wiedersetzte und den Song «Sad Movies» als erster am Radio DRS spielte. «Das kannst du nicht spielen, sagten meine Mitmoderatoren», erzählt Mürner. «Doch, kann ich», dachte er und spielte den Song, frühmorgens, als ausser ihm niemand im Radiostudio war. «100‘000 Menschen sind mit dem Song aufgewacht», sagt er im Interview mit dem 29-jährigen Dokumentar lmer triumphierend. «Sie haben das gemacht, was sonst niemand gemacht hat», erklärt Musikproduzent Oliver Mauermann – auch bekannt als Frontmann der «Aeronauten» – den Hype um Baby Jail. Ihre provokative Art begeisterte die Fans. Doch nicht bei allen kamen Baby Jail gut an. Polo Hofer, der nicht viel von dem Zürcher Cabaret hält, wirkt noch immer leicht «betupft», wenn er sich die Single «Nei» anhört: «Dilletantisch! Das isch doch ke Rock’n’Roll-Attitüde!». Den Song hatten Baby Jail unter dem Pseudonym «The Polo Lovers» im Januar 1990 veröffentlicht und kritisieren darin den etwas klischierten Berner Rock, wie ihn Hofer in den 80er-Jahren machte. Schlecht gespielt seien die Songs, die Texte nicht witzig. Der Berner Mundart-Rocker lässt im Interview für den Dokumentar lm über Baby Jail kein gutes Haar an der Zürcher Kult-Band und reiht sich damit in die Reihe der Kritiker ein, die Baby Jail Ende der 80er-Jahre am liebsten verbieten wollten.

Verbieten will heute die Band niemand mehr. Die Hits aus den späten 80er und frühen 90er-Jahren Jahren kommen beim Publikum noch immer gut an. Ihr Hit «Tubel Trophy» ist aktueller denn je. Und auch live rocken Koller und Aeberli die Bühne noch so, als wären sie nie weg gewesen. Doch auch Erfahrung schützt nicht vor Lampen eber: «Dass Koller und Aeberli vor ihrem ersten Konzert der Reunion-Tour nervös waren, hat mich am meisten überrascht», erzählt Wasik. Schliesslich sind die beiden sind in den letzten Jahren regelmässig mit Bands auf der Bühne gestanden. Koller spielt jedes zweite Wochenende mit Schtärnefoi an einem Kinderkonzert und ist oft mit der Allschwill Posse unterwegs.

Am Samstag, 16. Februar, spielt die Kultband nun im Gaswerk. An dem Abend hat Romek Wasik hier in seiner Heimatstadt die Gelegenheit, vor dem Konzert seinen Dokumentarfilm – der bereits am 25. Januar an den Solothurner Filmtagen Premiere feierte – zu zeigen. Es ist die Winterthurer Premiere des Dokumentarfilms «Baby Jail – Rückkehr des lautesten Cabarets».

«Baby Jail – Rückkehr des lautesten Cabarets»

Dokumentarfilm von Roman Wasik

Winterthurer Filmpremiere und Konzert von Baby Jail

Samstag, 16. Februar 2013, 20:30 Uhr

Eintritt ChF 25/20

Kulturzentrum Gaswerk

Untere Schöntaltstr. 19

8406 Winterthur

www.gaswerk.ch 

The Birds (USA 1963)
The Birds (USA 1963)
Schau mal

«Die Vögel», ein Film für … Ornithologiefans, Liebespaare, Ökoaktivist:innen? Ein bisschen für alle. Wenn man so will – ein Film für die ganze Familie!