«So schnell kann man ein Image, das sich in den letzten zehn Jahren vom Negativen ins Positive gedreht hat, wieder zerstören.» – Das renommierte Architektur-Magazin Hochparterre wählte jüngst drastische Worte zu Winterthurs Sparbemühungen. Was die Architekten in Rage versetzt: Der Stadtrat denkt über Abriss und Neubau nach. Aus dem Stadttheater soll ein Kongresszentrum mit integriertem Theater werden.
Solche Ideen sind nicht per se schlecht. Dass der Stadtrat versucht, im Zuge der Sparmassnahmen grundsätzlich neue Wege zu gehen oder anzudenken, ist verständlich. Kongresszentrum und Theater in einem? Querfinanzierung durch zusätzliche privatwirtschaftliche Nutzung? Ja, wieso auch nicht? Dass Mantel- oder Kombinutzungen ökonomisch Sinn machen können, zeigen verschiedenste Beispiele. Beinahe schon reflexartige Abwehrhaltungen gegenüber der Privatwirtschaft – wie sie in Kulturkreisen durchaus vereinzelt vorkommen – wären demnach fehl am Platz. ABER.
Sinn macht es gleichwohl nicht. Nicht beim «Theater Winterthur». Wieso ein bestehendes, funktionierendes Theater abreissen? «30 Millionen», antwortet der Stadtrat. Und meint damit die Kosten, die mit der Sanierung des Theaters verbunden sind. Die Summe wurde 2011 in einer Bedarfsanalyse genannt und bezieht sich auf diverse Ersatzinvestitionen über den Zeitraum von 15 Jahren. Erstens: Die zukünftige finanzielle Lage Winterthurs ist schwer vorauszusehen; dass sie schlechter sein kann als heute, ist unwahrscheinlich. Zweitens: Wieviel würden nun die dringendsten Sanierungen tatsächlich kosten? Gäbe es alternative Trägerschaftsformen für das bestehende Theater? Fragen, die sorgfältig geklärt werden müssten.
So aber beschleicht einen das Gefühl, der Abriss werde forciert – begleitet von mangelnder Wertschätzung der Kultur und der Institution «Theater Winterthur» im Speziellen: 55'600 Zuschauer gingen in der Saison 13/14 in jenes Theater, welches zu den grössten der Schweiz gehört und auf dessen Bühnen die besten Ensembles des deutschsprachigen Raumes auftreten. Der Bau ist nicht irgendein bröckelndes Haus: «Mit dem damaligen ‹Theater am Stadtgarten› schuf Architekt Frank Krayenbühl 1979 eine Perle seiner Zeit.», schreibt das «Hochparterre». Das Gebäude steht auf der Liste der schützenswerten Bauten. Ein Abriss sollte somit aus kultureller wie architektonischer Perspektive die letzte aller möglichen Varianten sein. Denn abseits finanzieller Fragen: Schliesslich geht es auch hier um ein Bekenntnis zur Kultur – oder eben nicht. Auch Strassen müssen hin und wieder saniert werden, deshalb reisst man sie nicht ab.
Die Idee eines Kongresszentrums ist nicht zu verteufeln. Dass nun gerade der Flecken, wo das Stadttheater steht, zum Objekt der Begierde wird, löst jedoch Stirnrunzeln aus. Es ist ja nicht gerade so, dass es Winterthur in den letzten zehn Jahren an freigewordenem Platz mangelte. Doch nachdem die Umnutzung der Industrieareale mit bemerkenswerter Ideenlosigkeit vonstatten ging und nachdem in Bahnhofsnähe drei neue Einkaufszentren hingepflanzt wurden, soll nun exakt der Ort, wo das Stadttheater steht, der «place to be» für das neue Kongresszentrum sein. Das ist schwer zu verstehen.
Über 6500 Unterschriften für eine Petition des Theatervereins Winterthur (Stand 18.1.) zeigen, dass hier an etwas gerüttelt wird, was in Winterthur fest verankert ist. Trotz notwendiger Sparbemühungen sollte die Stadt deshalb darauf achten, dass ihr Fundament nicht zu sehr wankt. Zu diesem Fundament gehört auch die Kultur. Die in allen Schweizer Medien verbreiteten Abriss-Pläne können dem Ruf, eine «Kulturstadt» zu sein, nachhaltig schaden. Gerade der Standortförderung sollte dies bewusst sein. Und wahnsinnig viele positive Schlagzeilen hat die Eulachstadt in letzter Zeit nicht mehr gemacht. Da nützt es auch nichts, wenn Constantin Seibt im Tagi über die lustigen Bewohner dieser Stadt schreibt.
So dramatisch um das Winterthurer Image, wie es das Hochparterre schreibt, steht es nicht. Doch bei all den Sparbemühungen müssen Stadtrat und Parlament aufpassen, dass in der Stadt der Komiker nicht am Schluss nur noch eines übrig bleibt: Schwarzer Humor. Lustig wäre das nicht.