Frau Affentranger-Kirchrath und Herr Thalmann: Seit 1995 sind die Bilder der Hahnloser/Jaeggli Stiftung für die Öffentlichkeit zugänglich. Welche Rolle spielt die Villa Flora für die Stadt Winterthur?
DT: Die Villa Flora ist ein wichtiger Bestandteil des Winterthurer Museumskonzepts und ein geschichtsträchtiger Ort. Hier können diejenigen Bilder besichtigt werden, die Arthur und Hedy Hahnloser vor rund einhundert Jahren für ebendiesen Ort erworben haben – die Villa Flora ist somit eine gesamtheitliche Zeitzeugin der Winterthurer Kultur.
AA: Die Sammlung, die Arthur und Hedy Hahnloser-Bühler in den Jahren 1906 bis 1936 zusammengetragen haben, ergänzt mit ihrem Schwergewicht auf der Kunst des Nachimpressionismus auf ideale Weise die Sammlung am Römerholz.
Welches Publikum besucht die Villa Flora?
DT: Für kunstinteressierte Besucherinnen und Besucher ist die Villa Flora ein Geheimtipp; die Anziehungskraft reicht weit über die Grenzen der Stadt hinweg. Nicht nur die einmaligen Bilder locken Kunstinteressierte an, auch das im ursprünglichen Zustand erhaltene Interieur, die spannende Architektur und der lauschige Garten mit seinen Skulpturen faszinieren. Die Villa Flora ist ein «Gesamtensemble» von unschätzbarem Wert mit einer speziellen Ambiance.
Wie viele Besucherinnen und Besucher verzeichnete die Villa Flora 2013? Hat sich das Publikumsinteresse in den letzten Jahren verändert?
Im Jahr 2013 haben über 9'000 Personen die Villa Flora besucht, das sind rund 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Eine markante Veränderung in der Besucherstruktur ist nicht festzustellen; hingegen hat das Interesse an der Museumspädagogik für Schulklassen in den letzten Jahren stark zugenommen.
Sie kommunizieren eine Pause, keine Schliessung. Warum?
DT: Mit der Sistierung wurde der politische Entscheidungsprozess zum Fusionsprojekt Villa Flora / Kunstverein Winterthur unterbrochen, nicht abgebrochen. Wir setzen uns dafür ein, dass dieser Prozess rechtzeitig wieder aufgenommen wird und haben deshalb auf unserer Webseite eine Unterschriftensammlung für eine Petition gestartet, die genau dieses Ziel verfolgt.
Sie erwarten von den politischen Instanzen, dass das Projekt Flora wieder aufgenommen wird, sobald das neue städtische Kulturleitbild vorliegt und die Finanzsanierung «effort 14 » abgeschlossen ist. Welche Erwartungen haben Sie an das neue Kulturleitbild?
DT: Der Trägerverein Flora wurde von der Stadt wie viele andere kulturelle Institutionen eingeladen, am Entwicklungsprozess des Kulturleitbildes teilzunehmen. Das Leitbild sollte nach üblichem Standard auf wenigen Seiten die Kulturpolitik der Stadt umschreiben – im Gegensatz zum bisherigen Leitbild, das auf über 30 Seiten viele Ausführungsdetails regelt.
Was bedeutet die – vorübergehende – Schliessung für die Stadt Winterthur?
DT: Die für ein kleines Haus zahlreichen kunstinteressierten Besucherinnen und Besucher müssen vorübergehend auf die Ausstellungen mit den Meisterwerken von Bonnard, Vallotton, Van Gogh, Hodler und anderen verzichten.
Werke dieser Maler sind auch in anderen Winterthurer Museen zu sehen. Was bedeutet der Verlust für die Kulturstadt Winterthur?
AA: Der Werkbestand von Bonnard, Vallotton, Vuillard und auch Redon ist in einer einmaligen Konzentration in der Sammlung von Arthur und Hedy Hahnloser vereint. Von diesen Künstlern haben wir eigentlich eine Sammlung in der Sammlung – diese lässt sich höchstens noch mit Werkbeständen in Paris vergleichen.
Zudem sind von der Villa Flora schon früh wichtige Impulse ausgegangen, die das Bewusstsein für die französische Kunst in Winterthur und weit darüber hinaus geweckt haben. Die Sammlerfamilie hat Hauptwerke der Künstler dem Kunstmuseum Winterthur und dem Kunstmuseum Bern geschenkt.
Bis Ende April zeigen Sie nochmals die Meisterwerke der Stiftung. Nach diesem Schlussbouquet geht die Sammlung auf Reise durch Europa. Welches sind die geplanten Stationen?
AA: Zuerst reist die Sammlung im Februar 2015 in die Hamburger Kunsthalle, wo sie bis in den August hinein zu sehen ist. Danach folgt Paris, wo sie in einer anderen Konzentration im Musée Marmottan Monet gezeigt werden kann. Es ist sehr befriedigend, zu erfahren, wie gross die Wertschätzung gegenüber der Sammlung im Ausland ist. Weitere Möglichkeiten an anderen Orten werden geprüft.
Laut Stiftungszweck stellt die Stiftung «Werke und Dokumente Museen, vorzugsweise in Winterthur, leihweise zur Verfügung». Nun verlässt die Sammlung die Schweiz: Ist das finanziell lukrativ?
AA: Es geht nicht in erster Linie darum, einen finanziellen Gewinn zu erwirtschaften, sondern darum, die Sammlung in einem ihr entsprechenden Rahmen präsentieren zu können.
Wie geht es weiter?
Die Räume der Villa Flora und der Garten stehen ab Mai 2014 während der sogenannten «Warteschlaufe» für andere vielfältige Veranstaltungen bereit; nähere Informationen werden spätestens ab Mai auf unserer Homepage aufgeführt.
Vorrangig aber bleibt die Hoffnung, dass die Sammlung wieder nach Winterthur zurückkehren kann, um in der Villa Flora von Neuem viele Besucherinnen und Besucher aus dem In- und Ausland erfreuen und bereichern zu können. Ein positives Zeichen in dieser Richtung hat der Zürcher Kantonsrat bereits gesetzt, indem er im Oktober 2013 den Beitrag von fünf Millionen Franken aus dem Lotteriefonds für den Umbau und die Renovation bewilligt hat.
*Das Interview wurde schriftlich geführt.
Die Villa Flora, 1846 erbaut, beherbergt die Sammlung von Arthur und Hedy Hahnloser-Bühler. Der Augenarzt und die Malerin hatten die Sammlung aufgebaut. Sie verkehrten mit französischen Nachimpressionisten wie Henri Matisse in Nizza, Pierre Bonnard in Le Cannet, und Henri Manguin. Die Sammlung enthält zudem Werke von Vincent van Gogh, eine kleine Werkgruppe von Paul Cézanne sowie Gemälde und Holzschnitte des Schweizers Felix Vallotton.
Homepage: www.villaflora.ch / Petition: www.villaflora.ch/de/villa_flora/petition.php