Ein Seil hängt U-förmig von der Decke. Darin balanciert eine Frau im verspielten roten Kleid. Ein Mann in Hemd und Weste schaut neugierig zu ihr hinauf. Er berührt sanft ihren gestreckten Fuss, gibt den Impuls für eine Drehung. Sie dreht sich und dreht sich und dreht sich. Schwindlig? – Das wird es vielleicht den Zuschauerinnen und Zuschauern, das Artistenpaar hingegen bleibt locker.
Esther und Jonas Slanzi führen im September ihr zweites Bühnenstück auf. In «ZWÄI» geht es darum, Tanz und Akrobatik sowie Tricks und Theater in Einklang zu bringen. Die beiden stellen dazu Alltagssituationen auf den Kopf und testen physikalische Gesetze bis ans Limit. Ihre Zirkusutensilien – ein Kontaktball, Tische, Seile, Diabolos, Champagnerflaschen – benutzen sie dabei immer wieder anders. «Es wird absurd, theatralisch, komisch, poetisch», sagt Esther, ohne dabei viel über das neue Stück zu verraten.
Die Uridee zu «ZWÄI» hatten Esther und Jonas 2012 – ein Jahr nachdem sie sich zusammenschlossen, um die Companie «E1nz» zu gründen. Kennengelernt haben sich die beiden vor 18 Jahren an der Zirkusschule in Budapest. Viele Zufälle führten die beiden zehn Jahre später wieder zusammen. Vorher waren sie als Solokünstler mit diversen Ensembles im In- und Ausland unterwegs. Jonas ist vor allem für seine Jonglagen und sein schnelles Diabolospiel bekannt.
Der Winterthurer ging an die Schule für Zirkus und Bewegungstheater Circomedia in Bristol und zog später mit Zirkussen wie Monti und Stellina durch die Schweiz. Sein artistisches Können zeigte er unter anderem auch in Südafrika, Australien und Singapur.
Esther zog es ebenfalls in die Ferne: Mit 26 Jahren begann die damalige Primarlehrerin aus Sarnen eine Ausbildung an der Artistenschule in Berlin. Es folgten Auftritte in deutschen Varietés, an Festivals und Firmenanlässen. Mit ihren Trapez- und Vertikalseilnummern machte sie sich einen Namen.
Ausschlaggebend für die Gründung von «E1nz» war die Idee, die einzelnen Nummern von Jonas und Esther aneinanderzureihen, um daraus ein Programm zu gestalten. Dabei wendeten sie sich dem zeitgenössischen Zirkus («Nouveau Cirque») zu. «Ursprünglich wollten wir das erste Stück mit je einem Ball, einem Diabolo, einem Seil und einer Flasche machen. Stattdessen benutzten wir das Wort ‹E1nz› für die Namensgebung unserer Companie», sagt Esther. Ihnen gefalle das Wort graphisch. 2012 feierte ihr erstes gemeinsames Stück «Nischenprojekt» in Winterthur Premiere, welches auf drei Kontinenten, in sieben Ländern etwa 50 Mal zu sehen war.
«Wintiproduktion» sorgt für schwitzende Hände
Die Premiere von «ZWÄI» findet wieder in Winterthur, im Kulturzentrum Gaswerk, statt. «ZWÄI» handelt von zwei Figuren, die unterschiedlicher nicht sein könnten: der ordnungsliebende Pedant in Hemd und Weste und die Chaotin im verspielten roten Kleid. Die beiden eigenwilligen Charaktere treffen aufeinander. Er jongliert, sie schwebt am Seil. Zwischen ihnen entstehen Spannungen, die sich wieder entschärfen. Jonglage- und Luftartistiknummern fliessen ineinander.
«Unser neues Stück ist eine richtige Wintiproduktion», sagt Jonas. Die Musik wurde eigens von Robin Oswald komponiert. Das Lichtkonzept stammt von Tashi-Yves Dobler Lopez. Und an den Aufführungen in Winterthur wird der Kochverein «El Tipico» für das kulinarische Wohl sorgen. Sie alle sind aus Winterthur. Im Kulturzentrum Gaswerk hat das Duo seinen eigenen Proberaum. «Wir freuen uns auf dieses Heimspiel», sagt Esther. Ein wenig nervös sind sie dennoch: «Da wir viele Zuschauerinnen und Zuschauer kennen, haben wir dann sicher schwitzende Hände und müssen uns noch mehr konzentrieren.» Als Artistin dürfe sie keine Erwartungen an das Publikum hegen, das würde sie sonst aus dem Konzept bringen, sagt Esther. In Deutschland etwa hätten die Zuschauerinnen und Zuschauer bei jeder Grimasse ein «oh» und «hihihi» von sich gegeben. In Frankreich sei es vorgekommen, dass während der Vorstellung niemand einen Mucks machte; am Schluss standen alle auf und klatschen. «Manchmal gibt es diese ‹magic moments›, wenn die Zuschauerinnen und Zuschauer mit offenem Mund dasitzen oder mit Tränen hinausgehen. Es ist schön, andere Menschen so berühren zu können», sagt Esther. Jonas spielt und trainiert zudem einfach gerne: «Ich bin neugierig wie ein Kind. So zu arbeiten, ist ein Privileg.»
Esther und Jonas arbeiten hart: Geprobt wird ungefähr vier Stunden pro Tag und dies fünf- bis sechsmal die Woche. Hinzu kommen diverse Büroarbeiten. Darunter fällt zum Beispiel die Planung der nächsten Auftritte: 2016 und 2017 spielt das Duo in Frankreich, Ägypten, Deutschland, Italien, Belgien, auf einem Kreuzfahrtschiff und in der Schweiz.
Bühnenstück «ZWÄI»
Donnerstag, 8. September, 20.15 Uhr (Premiere)
Freitag, 9. September und Samstag, 10. September, 20.15 Uhr
Sonntag, 11. September, 17 Uhr
Türöffnung, Restaurant- und Barbetrieb: Ab 18.30 Uhr, Sonntag ab 16 Uhr
Eintritt: CHF 25/ CHF 15
Kulturzentrum Gaswerk
Untere Schöntalstrasse 19
Tickets: starticket.ch, Jonglierladen «Jugglux»
Türöffnung ist Donnerstag bis Samstag um 18.30 Uhr, Sonntag um 16 Uhr. Von «El Tipico» gibt es ab Türöffnung kulinarische Kunststücke für den Gaumen zu geniessen.