Die Musikrichtung Hip-Hop ist erwachsen geworden und erlebt gerade einen Hype. In Deutschland ist Rap zurzeit das erfolgreichste Musikgenre. In der Schweiz belegen nationale Talente regelmässig Plätze an der Spitze der Charts. Auch Winterthur ist ganz vorne mit dabei. Phumaso & Smack, der bekannteste Winterthurer Hip-Hop-Export, landeten 2013 mit dem Album «Wurzle&Chrone» auf Platz sechs der Schweizer Hitparade. Bis heute ist das die höchste Position eines Schweizer Digital-Only-Albums. Ein Jahr zuvor holten sich die beiden an der Slangnacht den Swiss Hip Hop Music Award als beste Rap Combo.
«Winti isch vorne debi, Schwiizrap Hochburg,
jedes Lied isch en Ohrwurm, shit härt wie Strohrum» (WiiTundBreiT)
Wenn man sich ein Bild der Winterthurer Rap-Szene machen will, kommt man nicht am vor zwei Jahren entstandenen Lied «Vitudurum United» vorbei. Initiiert wurde es von Matthias Läderach aka Meyd von Eigänabou, «um die Szene zu pushen und zusammenzubringen», wie er sagt. Es klappte: Alles was Rang und Namen hat, versammelt sich auf dem Track, einer fast zehnminütigen Liebeserklärung an Winterthur.
«Es Lebe lang scho isch Winti mini Hood,
das isch mini Stadt und hüt zolle re Tribut,
ich lieb jedes Wägli, jede Strass,
und de Duft ide Luft isch fast so süess wie Gras.» (Benny The Kid)
«Die lokale Rap-Szene zeichnet sich durch einen alternativen Lifestyle aus, wie Winterthur selbst», sagt Elia Binelli. Viele Leute seien sehr engagiert. «Das Lebensgefühl im Winti-Rap ist super.» Der 20-Jährige muss es wissen. Vor eineinhalb Jahren hat er das Hip-Hop-Magazin «Lyrics» gegründet, das mittlerweile schweizweit Erfolg hat.
Der Zusammenhalt in der Szene sei gross, sagt Tobias Schneider aka WiiTundBreiT, ehemals allesbollet. «Man hilft sich gegenseitig», stimmt ihm Mike Ott aka Mikado Mic von Flashdigga zu. Die meisten haben schon gemeinsam Tracks aufgenommen oder sind zusammen auf der Bühne gestanden. Die Stadt ist klein, die Szene vernetzt. «Wenn man ein paar Mal an Konzerte geht, kennt man die wichtigen Leute», sagt Miguel Bachmann aka Pedro von allesbollet.
«Die Szene lebt zwar, aber verglichen mit den letzten Jahren ist wenig los», bemerkt auch Elia Binelli. Früher habe es noch mehr Orte gegeben, an denen man sich getroffen habe. Zum Beispiel im SigSagSug, im Laden von Tobias Schneider («Dukennsches») an der Neustadtgasse und jeden Dienstag im Studio von Eigänabou zum Freestylen. Heute sind die Events dünn gesät, nur die Newcomer der Varius Crew organisieren regelmässig die ABC-Battles im Albani.
Nicht für die Schweiz, sondern für Winterthur
Dass nach Phumaso & Smack bis jetzt niemand nachgezogen hat, liegt für Elia Binelli aber auch daran, dass die Szene sehr auf Winterthur fixiert ist. «Es ist nicht Rap für die Schweiz, sondern Rap für Winterthur.» Die Rapszene werde nach aussen hin kaum wahrgenommen, sagt auch WiiTundBreiT. Das liege auch am fehlenden Output: «Es sind immer ein paar Tröpfchen, aber es bildet sich nie ein See.»
Die Frage ist, ob Musiker nur am Erfolg gemessen werden können und wollen. Nein, da sind sich alle einig. Denn «Hip-Hop ist viel mehr als Musik», sagt Meyd. Es sei eine Lebenseinstellung. «Und ein Sprachrohr», doppelt sein Bandkollege Fabio Müller aka Shmutzly nach. Eine Möglichkeit, das Leben zu verarbeiten, sich auszudrücken oder sich neu zu erfinden. «Jedes Lied ist eine Begegnung mit der Person dahinter», sagt Pedro. Der Rap von allesebollet, WiiTundBreiT und Eigänabou ist authentisch und oft sehr persönlich.
Doch der Winterthurer Rap ist facettenreich. Die Seuzacher Crew Flashdigga etwa nimmt es ein wenig lockerer. «Wir rappen selten über ernste Themen», sagt Mike Ott aka Micado Mic. Und sie probieren gerne Neues aus. Erst kürzlich haben sie auf Anfrage einen Schlagersong für den FC Seuzach produziert. «Ein richtiger Hiphopper ist wohl kein Flashdigga-Fan», sagt Mikado Mic und lacht. Noch einen Schritt weiter geht die Crew 5000. Die jungen Winterthurer nehmen in ihren Liedern die Hip-Hop-Szene, vor allem den Gangster-Rap, auf die Schippe. Denn auch diesen gibt es in Winterthur, vertreten durch Shenzo.
«Dasch isch Zone 20, Eulachsyndykat, d Gegner wännd mich schlah, kamehameha, ich chum verbi und sie verstecked ihri Mamis.» (Shenzo)
Und was raten die gestandenen Rapper dem Nachwuchs? Üben, üben, üben! Vor allem Freestylen sei die beste Schule, um am Taktgefühl und den Flows zu feilen. Und dann den Mut haben, sich der Öffentlichkeit via Soundcloud, Facebook oder Youtube zu präsentieren. «Vieles spielt sich heute im Internet ab», sagt DJ und Producer Severin Steinegger aka Silent Rabbit. Die Rückmeldungen helfen, besser zu werden. Und Shmutzly, Meyd, WiiTundBreiT, Silent Rabbit und Pedro zeigen sich offen: «Kommt auf uns zu, schreibt uns. Wir helfen gerne.»
«Eulachstadt, are you ready to revolute? Es hett scho agfange, wases na bruucht bisch du, dis Bewusstsi, spiel dini Macht us, mir sind 100'000, di ganz Stadt wacht uf.» (Dante Mahago)
Einer, der die Rap-Szene immer wieder pusht, Newcomern eine Plattform bietet und Leute zusammenbringt, ist Dominique Okouo aka DJ Jesaya. Mit ihm haben Phumaso & Smack ihren ersten gemeinsamen Song aufgenommen, er hat CDs produziert, Konzerte und Partys organisiert. Momentan macht der 36-Jährige das Booking für die «Hiphop is dead»-Reihe im Albani. Mit Rap im Stadtpark, das er gemeinsam mit Jonas Trechsel von Eigenabou, DJ Little Maze («Die Legende in Winterthur») und André Krysl aka Cruizzle von Flashdigga organisiert, hat er zudem eine grosse Plattform für lokale Rapper geschaffen. Das kostenlose Festival findet diesen August zum neunten Mal statt. Dieses Jahr kommt auch der Headliner aus Winterthur: Fogel, der Mann, den in Winterthur wohl jede und jeder kennt.
«Winterthur, du chasches nüme ignoriere. D MCs us Winti sind stolz uf eusi Eulachstadt. D Schwiiz wird liislig, das isch Winti City, Winterthur, mir chönd na viel meh.» (Alle zum Refrain von DJ Silent Rabbit)
Dieses Jahr findet der kostenlose Event Rap im Stadtpark am 27. August 2016 von 13 bis 19 Uhr statt. Headliner ist Fogel. Mehr Informationen findet ihr auf Facebook. Was ihr euch vormerken solltet: Das 10-Jahres-Jubiläum im nächsten Jahr wird «richtig fett», verspricht DJ Jesaya. Gespannt sein darf man auch auf die neuste Veröffentlichung aus der lokalen Rap-Szene: Das nächste Solo-Album von Pedro wird diesen Herbst erscheinen.