Ein Festival für die Menschenrechte

Ein Festival für die Menschenrechte

Heute ist der Internationale Tag der Menschenrechte. Zeitgleich findet in Zürich das erste Mal das «Human Rights Film Festival» statt – mit einem Programm, das zum Denken anregt.

Gestern wurde der zweite Vertreter einer Partei in den Bundesrat gewählt, die das Landesrecht vor Völkerrecht stellen will. Heute ist Internationaler Tag der Menschenrechte. Und auch wenn heute wohl so einige Lobreden auf die Errungenschaft der Menschenrechte und deren Bedeutung gehalten wurden, so zeigt nicht nur diese kleine Gegenüberstellung die Widersprüchlichkeiten – und eine gewisse Vergesslichkeit. Denn im Streben nach Sicherheit und nationalstaatlicher Autarkie-Romantik geht bisweilen die liberale Urkraft der Menschenrechte unter: Der Schutz des Einzelnen vor der Willkür des Starken.

Vor dem Vergessen hilft nur Erinnern. Begrüssenswert also, dass es in Zürich neu ein Filmfestival gibt, das dabei helfen kann: Seit gestern findet zum ersten Mal das Human Rights Film Festival statt. Bis Sonntag-Abend werden am Filmpodium sowie im Kino Riff Raff Filme gezeigt, welche die Vielfalt der Menschenrechtsanliegen aber auch deren Komplexität widerspiegeln. Im Fokus steht die Aktualität: Flüchtlinge, Migration, Syrienkrise. Aber auch Themen wie die Folgen des Goldrausches («Earths Golden Playground», Freitag), die Umsiedlung von Aborigines («Charlies Country», Samstag) oder die Queer-Realitäten im homophoben Kenia («Stories of our Lives», Samstag) werden behandelt. Den Anfang machte gestern der Film «Spartacus und Cassandra». Ein Film über zwei Roma-Kinder in Frankreich die sich entscheiden müssen zwischen ihren Eltern und materieller Obhut.

Als Braut verkleidet auf der Flucht

«Wir wollen den Zuschauer zum Nachdenken anregen. Ein Film kann durch seinen emotionalen Zugang mehr als mediale Berichterstattung», sagt Festival Direktorin Sascha Lara Bleuler, welche das Programm zusammengestellt hat. Den Film über die Roma-Kinder hat sie als Eröffnungsfilm gewählt, weil er trotz Tragik auch lebensbejahend und unterhaltend sei. «Die Besucher sollen das Festival nicht niedergeschlagen verlassen, sondern gedanklich angeregt.»  Besonders freut sie sich unterem anderem auf die Deutschschweizer Premiere des Films «On the Bride’s Side», welcher heute Abend im Rahmen des Tags der Menschenrechte gezeigt wird: Ein Roadmovie, in dem ein palästinensischer Dichter und zwei italienische Journalisten eine Gruppe von syrischen Flüchtlingen als Hochzeitsgesellschaft verkleiden und sich mit ihr auf die Reise von Italien Richtung Schweden machen. Der Film wird in Zusammenarbeit mit dem EDA und Ärzte ohne Grenzen (MSF) gezeigt, im Anschluss folgt eine Debatte zu Migrations- und Flüchtlingsfragen mit dem Regisseur, einer Protagonistin, dem UNO Sonderberichterstatter für Menschenrechte von Migranten sowie einem Vertreter von Ärzte  ohne Grenzen.

Ein weiteres Highlight verspricht der Dokumentarfilm «Red Lines» über die Oppositionsbewegung in Syrien. Zuvor diskutieren unter anderem SRF-Direktor Roger de Weck und Charif Kiwan vom syrischen Kollektiv Abounaddara über das «Recht am eigenen Bild» im Zusammenhang mit der Medienberichterstattung während der Syrienkrise. Den Abschluss bildet am Sonntag mit «Der junge Siyar» ein Spielfilm, in dem ein Teenager aus einem kurdischen Dorf im Nordirak auf eine Odyssee nach Europa aufbricht, um seine Schwester zu suchen.

Ein Ableger aus Genf

Einige Filme werden tagsüber für Schulklassen angeboten. Für die Autonome Schule Zürich (ASZ) sei zudem der Eintritt zu den Vorführungen frei, sagt Sascha Lara Bleuler. Sowohl die Klassenvorführungen wie auch die Diskussionen, welche jeweils nach den Filmen gezeigt werden sind für sie Ausdruck dafür, dass dieses Festival mehr als „nur“ Kino sein soll: «Nach den Filmen sollen sich die Leute austauschen können.» Die Filme und Gespräche werden dabei jeweils in Zusammenarbeit mit NGOs wie zum Beispiel Médecins Sans Frontières, Human Rights Watch oder der Erklärung von Bern (EvB) geführt. Eine Nähe, die durchaus auch kritisch betrachtet werden darf.

Die Gefahr, dass sich am Festival ausschliesslich eine Szene von NGO-Vertretern, Journalisten, Politiker und Juristen trifft, sieht Bleuler. «Ich wünsche mir aber schon, dass es nicht nur ein Festival für die ‚Bereits-Überzeugten‘ ist, sondern Menschen mit unterschiedlichem sozio-politischem Hintergrund angesprochen werden.» Zudem wurde das Konzept schon erfolgreich erprobt: Das Human Rights Film Festival Zurich ist ein Ableger des schon länger etablierten «Festival du Film et Forum International sur les Droits Humains» in Genf.

 

Film als Vermittler

«Viele Leute in Zürich engagieren oder interessieren sich für politische Themen», sagt Kommunikations-Chefin Sarah Bleuler. «Wir wünschen uns, dass sich möglichst viele von ihnen mit den Themen der gezeigten Filme auseinandersetzen und die Möglichkeit haben, sich auszutauschen.» Sarah Bleuler ist, gleich wie früher auch ihre Schwester und Festival-Leiterin Sascha Lara Bleuler, untern anderem bei den Internationalen Kurzfilmtagen Winterthur engagiert. Das Medium Film und das Filmfestival als Event können, so findet sie, einen anderen Zugang zu politischen Themen bieten: «Zu Hause vor dem Fernseher schaut man sich die Nachrichten an, in denen momentan täglich Menschenrechtsthemen im Zentrum stehen, und dabei bleibt es dann meistens. Unser Filmfestival bietet andere, persönlichere Sichtweisen. Zudem hat man die Möglichkeit, Expertenstimmen zu hören und sich nach dem Film auszutauschen. Das halte ich für einen grossen Mehrwert.»

Beim Human Rights Film Festival geht es folglich auch um die Rolle der Kultur im politischen Diskurs. «Die Kultur alleine kann vielleicht nichts ändern hinsichtlich Menschenrechten», sagte dazu Madeleine Herzog, Leiterin der Fachstelle Kultur des Kantons Zürich gestern in einer Eröffnungsrede. «Aber sie kann ein Bewusstsein schaffen und sensibilisieren. Gerade darum spielen Kunst und Kultur eine zentrale Rolle.»

Eine Garantie kann hier abgegeben werden: Wer nach einem Film aus diesem Festival herauskommt, weiss spätesten dann wieder um die Wichtigkeit der Menschenrechte. Und wieso ihr Besitz nicht selbstverständlich ist. Vielleicht erinnern wir uns daran im kommenden Polit-Jahr: Bereits im Februar kommt die Durchsetzungsinitiative vors Volk, welche die meisten Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention aushebeln würde.

Das «Human Rights Festival Zurich» findet vom 9. bis 13. Dezember 2015 in Zürich im Kino Riffraff und im Filmpodium statt. Programm: www.humanrightsfilmfestival.ch 

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