Stefanie Kägi

Die Verschmelzung zweier Welten

Vom Land in die Stadt: Mit ihrer Begeisterung für das Kontroverse ist Stefanie Kägi dabei, sich in Berlin als Akrobatin der Materialien ihren Platz in der Kunstwelt zu erkämpfen.

Obwohl Stefanie Kägi direkt vom Flughafen kommt und nur vier Stunden geschlafen hat, strahlt die 29-Jährige mit dem dunklen langen Haar bei ihrer Ankunft in Winterthur, als käme sie gerade von der Sonne selbst. Dabei kommt sie eben aus Berlin, ihrer Wahlheimat und Wiege ihres Künstlerdaseins. Seit acht Jahren lebt Stefanie Kägi in der deutschen Hauptstadt. Aufgewachsen ist sie in Langenhard im Tösstal, einem Dorf mit etwa 99 Einwohnern – zumindest waren es so viele, als sie als Kind einmal gezählt hat.

Ihre Schwester Maureen war es, die vor zehn Jahren beschloss, ein Kunststudium in Wien zu beginnen – gegen die Vorbehalte der Eltern, zur Überraschung aller und zum Glück für Stefanie. Denn kurz darauf packte auch Stefanie, eigentlich gelernte Dekorationsgestalterin, ihre Koffer, um ihren Traum des Malerei-Studiums zu verwirklichen  in Berlin.

Auf den ersten Blick nimmt man ihr die Land-Herkunft kaum ab. Die Jahre in der Grossstadt haben abgefärbt. Doch schon nach wenigen Worten wird klar, dass bei ihr von harscher Grossstadt-Attitüde nicht die leiseste Spur zu finden ist. Stattdessen kommen in ihren Ausführungen die Nähe zur Natur und dem Urtümlichen vor, die Verbundenheit zu ihrer Schwester, die in Wien lebt und ihrer Jugendstadt Winterthur. Aus diesen Gründen kommt sie auch immer gerne zurück in die Schweiz. Nach ein paar Tagen jedoch, sagt sie, freue sie sich wieder auf den Trubel in Berlin, die Galerien, die ständige Konfrontation mit Neuem und Aufreibendem, begleitet von der konstanten Herausforderung, sich in der Kunstwelt zurecht zu finden, ohne sich darin zu verlieren.

Der Konflikt oder – in ihrem Fall besser gesagt – die Verschmelzung zweier Welten lebt Stefanie nicht nur im Alltag, sie spiegelt sich auch in ihrer Kunst wider. Aktuell beschäftigt sie sich mit Textilien und arbeitet mit der Stickerei, einem traditionellen und durch die langsame Herstellungszeit eher unzeitgemässen Handwerk. Doch verknüpft sie diese bedächtige Arbeit mit digitalen Bildern, die sie mit dem Scanner manipuliert und verändert. Die Ergebnisse überarbeitet sie wieder mit Nadel und Faden. Solche Transformationsprozesse lassen sich in ihrer Arbeit oft finden. So entstand beispielsweise aus einer zufällig gewählten Google Maps Aufnahme, eine Vorlage für eine Stickerei. Oft arbeitet Stefanie auch direkt an den Wänden der Ausstellungsräume. Die Konzepte dazu erarbeitet sie in ihrem Atelier in Berlin, die Umsetzung dagegen geschieht direkt vor Ort, mit Rücksicht auf den Raum und die Umgebung.

Die Vergänglichkeit dieser Werke stört sie nicht, zentral ist viel mehr das Material, mit dem sie Neues erschaffen kann. «Kunst entsteht für mich oft bei der Auseinandersetzung mit Materialität», erklärt Stefanie und meint damit den schöpferischen Prozess, Materialien in ihrer urtümlichen Beschaffenheit zu erfassen, sie zu abstrahieren und bis an ihre Grenzen auszureizen.

Neben Ausstellungen absolviert Stefanie zurzeit ein einjähriges Weiterbildungsprogramm: Das Goldrausch Künstlerinnenprojekt. Daneben arbeitet sie für eine österreichische Künstlerin in Berlin, von deren Erfahrungen in der Kunstwelt Stefanie profitieren kann. Auch beim Ausstellungsprojekt, das sie vor Kurzem zusammen mit einer Modedesignerin lanciert hat, geht es um die Verschmelzung moderner Textilien wie Latex mit dem so feinen und traditionellen Handwerk der Stickerei. Zudem übernimmt sie kleinere Aufträge, wie zuletzt die bildnerische Vorlage für die Menükarte des neu eröffneten «Fritz Lambada» in Winterthur. Ende November werden die Arbeiten von Stefanie Kägi in Rapperswil in der Alten Fabrik zu sehen sein.

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