Ein Schwede baut Gitarren in der Neustadtgasse

Ein Schwede baut Gitarren in der Neustadtgasse

In der Winterthurer Neustadtgasse glänzt zwischen artistischen Ateliers und bunten Boutiquen ein weiterer, kleiner Diamant: Bei «Der Gitarrenbauer» wird Musik von Hand geschreinert.

Die Werkstatt des schwedischen Gitarrenbauers ist

am kleinen gitarrenförmigen Schild und dem prall gefüllten Schaufenster erkennbar. Tyko Runesson rückt noch kurz die letzten Gitarren im Fenster zurecht, ehe er die quietschende Tür zu seiner Musik-Oase öffnet. Nebst unzähligen elektrischen und akustischen Gitarren hängen auch Geigen, Banjos und abstrakt aussehende Saiteninstrumente an den Wänden und Regalen oder liegen auf den Sofas und Stühlen. Der Geruch frisch gesägten Holzes lässt keinen Zweifel daran, dass hier Tyko Runessons Instrumente zum Leben erwachen.

 

«Ich spiele noch immer am liebsten meine erste

selbstgebaute Gitarre», sagt er mit ruhiger Stimme und verlegenem Lächeln. «Sie ist zwar nicht perfekt, aber das kann ich immer noch ausbessern.» Tyko Runessons Interesse für die Musik war schon früh sehr gross: Mit zwölf Jahren fing er an, in einer Musikschule Klarinette und Mandoline zu spielen, bis er auch das Gitarrespielen für sich entdeckt hat. Es dauerte nicht lange, da drückte ihm sein Gitarrenlehrer zum ersten Mal ein völlig kaputtes Instrument in die Hände. Da gings los mit dem Reparieren. Viele weitere Projekte folgten und er begann, sein Handwerk stetig zu verfeinern. Bei den Reparaturen sollte es aber nicht bleiben; das nötige Fachwissen zum Bauen von Gitarren eignete sich Tyko Runesson über Jahre hinweg durch Bücher an.

 

In Social-Media-Gruppen tauscht sich der Gitarrenbauer mit Berufskolleg*innen aus und lässt sich inspirieren. «Es gibt keine Regeln in diesem Handwerk und mehr als nur ein Richtig», sagt er. Seine Instrumente sind komplett handgefertigt, jedes davon ein Einzelstück. Von der Auswahl des Holzes über das Design bis hin zu detaillierten Kundenwünschen setzt der Handwerker alles selbst um. Nachhaltigkeit ist dabei nicht nur ein Label. Tyko Runesson setzt bewusst auf ökologische Rohstoffe, etwa Schweizer Holz und Leim aus Schlachtabfällen. «Holz aus dem Regenwald und weite Transportwege sind für mich ein No-Go», bekräftigt er. «Ich habe eine sehr anspruchsvolle Kundschaft, die mehr sucht als die oft günstigeren maschinell hergestellten Produkte», erklärt Tyko Runesson und fährt sich mit den Fingern durch seine roten Haare. So bräuchten einige Musiker*innen verschiedene Körperformen oder Holzverarbeitungen, welche sie für ihr Gitarrenspiel bevorzugen. An einer Eigenkreation arbeitet er jeweils rund drei Monate lang. Der Preis ist verhältnismässig tief: Für handgemachte Einzelstücke bezahlen seine Kund*innen je nach Aufwand um die 4’000 Franken.

 

Gelassen schlendert der 47-Jährige durch sein Atelier und zeigt auf die entsprechenden Instrumente, nimmt das eine oder andere ein paar Sekunden wortlos in die Hand und legt es wieder zurück. Er arbeitet ruhig, geduldig, feinfühlig. Seit 2007 betreibt der Schwede seine Werkstatt in Winterthur. Auf die Frage, weshalb er seine Heimatstadt Malmö verlassen hatte, antwortet er geheimnisvoll: «Die Liebe». Der Vater von zwei Kindern hat vor seinem jetzigen Beruf als Gitarrenbauer bereits als Musiklehrer, Jugendarbeiter, Hauswart und persönlicher Assistent gearbeitet. Bis heute ist er beruflich vielfältig geblieben: Zurzeit spielt Tyko Runesson nämlich in der schwedischen Volksmusikgruppe «ROR Trio» Gitarre und lebt nebenbei von den Gagen der Auftritte sowie den Einkünften aus den Aufnahmen von «Runesson Recordings». Mit seinem mobilen Studio hat der Musiker schon diverse Projekte vertont. «Ich arbeite da vor allem mit Singer-Songwriter*innen, nehme aber auch Livekonzerte anderer Musiker*innen auf», führt er mit vor Freude und Stolz glänzenden Augen aus.

 

So verbindet Tyko Runesson mit seiner ganzheitlichen und musikalischen Perspektive gekonnt Nachhaltigkeit und Ergonomie mit höchsten qualitativen Ansprüchen. Als einer der wenigen Gitarrenbauer in Winterthur konnte er sich mit seiner Arbeit einen Namen machen, den seine Kundschaft so schnell nicht mehr vergessen wird.

 

 

Infobox:

Der fein geschliffene Diamant der Neustadtgasse glänzt auch während der Corona-Krise weiter. Bestellungen nimmt er telefonisch und online gerne entgegen und freut sich, alle Musikfreund*innen mit neuen Instrumenten, Services oder Reparaturen zu beglücken.

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