Kühe und Tiger. Popcorn und Spülmittel. Leim und Holz. Papier und Glitzer. Nein, langweilig ist Olga Titus’[C1] Kunst nicht. Das weisst du spätestens dann, wenn du in ihrem Atelier stehst: Mitten in Winterthur, umgeben von unzähligen Farben und Materialien, inklusive Discokugel. So, dass die Herbstdüsternis in Vergessenheit gerät. Zwischen Plastikfigürchen und mit einer Tasse Kaffee sitzt Olga dort und erzählt von so vielen Ideen, dass die 36-Jährige wohl zwei Leben bräuchte, um sie alle umzusetzen. Sorgfältig zusammengebastelte Mini-Welten lassen dich genauer hinsehen, raumeinnehmende Konstruktionen bringen dich zum Stutzen und grelle Farben mit süsslicher Bildsprache sorgen auch mal für ein Schmunzeln. „Olga Titus, ist das nicht Kitsch?“
«Ich hab nichts gegen diesen Begriff, er ist keine Beleidigung. Vielleicht aber auch nicht differenziert genug», findet die Künstlerin. Mal durchdacht und differenziert, dann wieder spontan und witzig ist ihre Arbeit. Die Inspiration geben ihr oft Gegenstände: Auf der Suche nach diesen streift Olga gerne durch Flohmärkte und Brockenhäuser (ihr Winterthurer Liebling ist die Blaukreuz-Brockenstube) oder sie nutzt Geschenke. Zu Weihnachten gab’s von der Schwester eine etwas sperrige Laubsägemaschine. Nun schreinert Olga Titus auch mal im kleinen Rahmen.
Die materielle Experimentierlust kann die Künstlerin voraussichtlich auch in der Künstler- und Wohnsiedlung «Cité des Arts» in Paris ausleben. Im dortigen Wohnatelier hält sich Olga im kommenden Frühjahr vier Monate auf; besonders freut sie sich auf den hausinternen Glaskeramikbrennofen.
Von Video-Loops über Holzkonstruktionen bis hin zu Plastikröhrli: Olgas Werke sind heterogen. Fokussierter zeigen sich indes die Themen, welche die Künstlerin in ihren Arbeiten aufgreift. Heimat und Fremdheit sind zentrale Überbegriffe vieler Werke der gebürtigen Thurgauerin, deren Mutter aus dem Bündnerland stammt und deren Vater Malaye mit indischen Wurzeln ist. Diese Komplexität der Identität äussert Olga mitunter durch persönliche Präsenz in ihren Werken. Eine Video-Installation von 2004 projiziert die im breiten Thurgauer Dialekt singende Olga Titus auf ein Stück Wolle, das nach und nach zerfällt.
Basteln und gestalten genoss Olga schon in ihrer Kindheit. 2006 schloss sie das Studium der Bildenden Kunst an der Hochschule Luzern ab. 2013 war sie mit ihrer Einzelausstellung «Ideal Artist» in der Kunsthalle Arbon vertreten, an der sie das Künstlerinnendasein sowie dessen Selbst- und Fremdbild thematisierte. Zudem waren einige von Olgas Arbeiten an der «werkschau tg 2013» zu sehen, an der Künstlerinnen und Künstler mit einem Bezug zum Kanton eine Plattform für ihre Kunst geboten wurde.
Warum also nicht im Thurgau arbeiten, wo sie aufgewachsen ist? Oder in Indien, wo sie schon mehrere Winter verbracht hat? In Zürich, wo die Kunstszene grösser ist? – Natürlich spiele sie in einzelnen Momenten mit dem Gedanken, lenkt Olga ein. Insgesamt aber ist sie zufrieden mit Winterthur, wo sie seit 2007 wohnt und künstlerisch tätig ist. Gelernt hat sie ursprünglich das Handwerk des Stickereientwerfens, als Quereinsteigerin arbeitet sie momentan am Flughafen und in einer Kindertagesstätte. Das Atelier an der Paulstrasse, das sie nun seit einem Jahr nutzt und mit Künstlerin Mia Diener teilt, ist gross, günstig und zentral: Einer der Vorteile des Standorts Winterthur. Schade sei nur, dass in der Region weder eine Kunstschule noch genügend Off-Spaces vorhanden seien, bemerkt Olga. Nichtsdestotrotz wird sie ihr Atelier nach ihrem Aufenthalt in Paris wieder nutzen. Ebenjenes Atelier sucht gegenwärtig übrigens noch jemanden, der es ab März untermieten will. Discokugel inklusive.