Klein ist das persönliche Reich des Sommertheater-Direktors Hans-Heinrich Rüegg, aber voller Erinnerungen und Geschichten aus seiner Vergangenheit. Und es ist auch ein wenig chaotisch. «Setzen wir uns», sagt er, um unmittelbar danach wieder aufzustehen und ein Foto von sich als neunjähriger Schauspieler in Kaltbrunn vom Schrank herunterzunehmen. «Meine erste Rolle als Herr von Schinken», sagt Rüegg und lacht. Begonnen hat seine Leidenschaft fürs Theater aber schon viel früher: «Mein Vater war ein äusserst begabter Laiendarsteller und so bin ich an den Spielnachmittagen jeweils unter den Tischen des Aufführungssaals gesessen und habe ihm zugeschaut.» Unter den Tischen? «Ja klar, in meinem Alter war zuschauen doch verboten.»
Verboten, ein Wort, das ihn nicht daran gehindert hat, seinen Weg unbeirrt weiterzugehen. Mit 15 Jahren hat Rüegg das erste Mal eine Theaterproduktion in Eigenregie geführt. Und damals hat er auch seine Leidenschaft für Musik entdeckt. «Posaune», feixt er und steht wieder auf, um eine alte Single-Platte seines damaligen Quintetts hervorzuholen. Musik stand bei ihm lange im Zentrum, am Ende siegte dann aber doch das Theater. Der Grund: «Ich habe gedacht, da muss ich nicht so viel üben.» Dass er als Schauspieler proben und Texte auswendig lernen muss, hat er wohlweislich ignoriert. «Ich hatte zum Glück immer tolerante Chefs», sagt Rüegg, der neben der Schauspielschule wie viele seiner Schauspielkollegen als Schriftsetzer arbeitete. Seine ersten Engagements brachten ihn ans Theater am Bucheggplatz und ans Opernhaus Zürich. Die Arbeit im Opernhaus sei wegbereitend gewesen, denn das dort Erlernte konnte er bei seiner weiteren Tätigkeit am Stadttheater in Chur gut nutzen. Chur war für ihn nicht nur als Künstler prägend, sondern auch privat: «Dort habe ich ein herzallerliebstes Mädchen kennengelernt», erzählt er. Mit dem Mädchen ist Verena Leimbacher gemeint, mit der Rüegg inzwischen über 40 Jahre verheiratet ist. Eine Leistung, denn beide waren beru ich immer viel unterwegs – dort ein Engagement in Memmingen, dann in Biel-Solothurn und wieder in Chur, dazwischen immer eine Saison im Sommertheater Winterthur. Der Ort, in dem Rüegg letztlich sesshaft blieb, schätzt der 68-Jährige noch heute: «Es ist ein kleiner Hafen, in dem ich aufbauen konnte – auch wirtschaftlich.»
Was man vom Sommertheater-Direktor kaum erwartet hätte: Er hat immer gerne deutsche Klassiker gespielt. «Ich musste irgendwann feststellen, dass die Klassik mir zwar ein starkes Fundament gegeben hat, die Komödie aber meine Heimat ist.» Rüegg besitzt diesen natürlichen Schmäh, der zum Mitschmunzeln einlädt. Und dank dem früheren Direktor des Sommertheaters, Markus Breitner, der ihn in den 80er-Jahren zum Nachfolger bestimmte, konnte er seine Liebe zur Komik dann auch weiterverfolgen. Wie sein Vorgänger ist Rüegg ein Theater-Patriarch. Er bestimmt, was gespielt wird, er wählt die Schauspieler aus und greift auch einmal ein, wenn etwas nicht klappt. «Am Ende muss ich sehen, dass der Karren läuft», betont er. Dabei ergänzt er ernst: «Das Theater ist kein Arbeitsplatz für erwachsene Menschen. Schauspieler muss man führen. Wenn sie das nicht können, dann sollten sie es lassen.»
Rüegg und seine Frau leben nicht nur zusammen, sie arbeiten auch oft gemeinsam. «Meine Frau und ich können sehr gut Berufliches und Privates trennen», sagt Rüegg. Was sie definitiv nicht könnten, sei gemeinsam spielen. «Sie muss immer lachen, wenn ich auf die Bühne komme.» Angesprochen auf gemeinsame Ferien, wehrt Rüegg mit beiden Armen ab. «Urlaub, das kannten wir nicht.» Das einzige, was sie sich seit 1986 kontinuierlich gönnen würden, sei eine Woche in den Bergen – und das getrennt. «Als Schauspieler am Theater kannst du nanziell keine grossen Sprünge machen.» Finanzen, ein Thema, über das er nicht gross spricht. Eine Anekdote erzählt er dann doch: «Als wir in jungen Jahren auf Tournee waren, haben wir uns nach der Vorstellung zu dritt eine Flasche Bier geteilt. Ja, so war das.»