Die Geschichte ist simpel. Eine Stadt soll kartographiert werden, wobei einiges durcheinander kommt ... zum Beispiel bildet die Karte plötzlich nicht mehr die Stadt ab, sondern diese wird gemäss der Karte umgebaut. Ups. Die Geschichte vereint zwei Motive, die Bosshart bereits zuvor behandelte. Man denke an die Karte für den «Winterthurer stattPlan» (2014) und das Metamorphosen-Motiv aus «Alberto» (2005) oder «Metamorphosis» (2012). Wobei anzumerken ist: es handelt sich stets um moderne Metamorphosen. Hier verwandeln keine antiken Götter hilflose Sterbliche, weil sie freveln oder um sie zu retten. Stattdessen drehen sich die Metamorphosen stets um das «Was-wäre-wenn», das sich in der Frage «Welchen Lebensweg wählen?» zeigt. Waren die antiken Metamorphosen noch bannhaft, so erinnern die modernen hingegen daran, dass alles auch anders sein könnte, verweisen auf die Freiheit, kein eindeutiges Schicksal zu haben – keiner Ständeordnung zu unterliegen. Hier geht es um die befreite Fantasie, durch die Menschen andere Welten imaginär vorwegnehmen, die sie dann in Realität verwandeln. Kein Wunder, dass der finale Plot-Twist von «Die Kartenmacherin» gerade auf das antizipierende Wesen schlechthin verweist.
«Die Kartenmacherin» umfasst 52 Seiten und wiegt 260 Gramm.
Julius Schmidt ist Poetograph und Redaktor beim Coucou.