Diese Frage bildet den Ausgangspunkt für das Überblickswerks des in Zürich lehrenden Völkerrechtsprofessors Oliver Diggelmann. Er erläutert Geschichte und Funktionsweise eines Rechtsgebiets, das allgegenwärtig ist, aber oft missverstanden wird. Denn im Gegensatz zum innerstaatlichen Recht gleicht das Völkerrecht eher einem verworrenen Netz an Dokumenten und Institutionen, wobei eindeutige Sanktionsinstanzen fehlen. Anhand vieler Beispiele illustriert Diggelmann, wie sich staatliches und internationales Recht gegenseitig beeinflussen. Dabei wirft der Jurist, der sich immer wieder in politischen Diskussionen zu Wort meldet, auch Seitenblicke auf die Schweiz – etwa in Bezug auf die «Selbstbestimmungsinitiative» von 2018. Mit seiner schlanken und gut verständlichen Einführung möchte Diggelmann von der moralisch aufgeladenen Diskussion über die (Dys-)Funktionalität des Völkerrechts wegkommen. Stattdessen ermöglicht er seinem Publikum, ein Verständnis für eine juristische Welt zu entwickeln, die aus einer paradoxen Mischung von anarchischer Machtpolitik und hochentwickelten Mechanismen zur Friedenssicherung besteht.
«Völkerrecht» umfasst 216 Seiten und wiegt 450 Gramm.
Miguel Garcia ist freischaffender Historiker und Geschichtslehrer.