A wie Autofiktional

Autofiktional nennt man fiktionale Texte mit einem mehr oder weniger grossen autobiographischen Anteil. Die Grenze zwischen dem, was erfunden ist, und dem, was aus der realen Lebenswelt des*r Autor*in stammt, kann nicht scharf gezogen werden. Weil Schreiben letztlich immer auch Erfinden ist.

In der Literatur der Gegenwart sind autofiktionale Texte sehr verbreitet. Das dürfte an einem gewachsenen Bedürfnis für authentische Geschichten liegen, wie sie auch die eigentlichen Autobiographien bieten würden. Bei diesen ist allerdings die literarische Qualität in der Regel zweitrangig.

Zu den bekannten Autor*innen autofiktionaler Texte gehören etwa Karl Ove Knausgård, Annie Ernaux, Rainald Goetz, Andreas Maier, Josef Winkler, Amélie Nothomb und Navid Kermani.

Autofiktion ist auch ein Gutteil der Migrationsliteratur, vom Winterthurer Yusuf Yesilöz über Catalin Dorian Florescu bis hin zur Buchpreisträgerin Melinda Nadj Abonji. Migrationsliteratur thematisiert oft die Herkunft und das Verhältnis der Protagonist*innen zur ursprünglichen und zur neuen Heimat; die Authentizität erscheint als zentral für die Glaubwürdigkeit der Texte.

In den letzten rund zwanzig Jahren sind zahlreiche Artikel und Untersuchungen zur Autofiktion erschienen. Autofiktionale Texte sind jedoch keine Erfindung der Gegenwart: Robert Walser etwa verwendet in seinem Roman «Der Gehülfe» seine Erfahrungen als Hilfsarbeiter bei einem Wädenswiler Unternehmer. Ein bekanntes Beispiel ist auch «L’amant» (Der Liebhaber) von Marguerite Duras. Darin verarbeitet die Autorin ihre Kindheit und Jugend in Asien.

In seinem umfangreichen Werk «Dein Name» kombiniert Navid Kermani tagebuchartige Protokolle mit Nachrufen von verstorbenen Familienmitgliedern und Freund*innen. Als Leser*in nimmt man Teil am Alltag des Erzählers, doch je stimmiger das Dargebotene wirkt, desto mehr fragt man sich, ob das denn wirklich, wie behauptet wird, ein minutiöses Abbild der Realität sein kann und ob solche Abbilder überhaupt möglich sind. Es ist faszinierend zu sehen, wie hier das Autobiografische in die Fiktion kippt.

Erklärt von: Helmut Dworschak, Germanist und Kulturredaktor beim «Landboten»

A wie Aufmerksamkeits-ökonomie
Kulturlexikon

Hi! Hei! Hey, ja! Du da, das ist für dich: Aufmerksamkeit ist die neue Währung. Und je mehr um sie gebuhlt wird, desto knapper wird sie, deine Aufmerksamkeit.

L wie Langgedicht
Kulturlexikon

Anfang 20. Jahrhundert wurde das erste zeitgenössische Langgedicht als solches veröffentlicht, ab Mitte der 1960er-Jahre wurde vermehrt über den Begriff gesprochen – doch bis heute ist es schummrig…

F wie Forumtheater
Kulturlexikon

Bei dieser partizipativen Theaterform bleibt das Publikum nicht in einer passiven Zuschauer*innenrolle, sondern gestaltet das Geschehen auf der Bühne aktiv mit.

P wie Provenienz
Kulturlexikon

Was simpel klingt, kann jedoch schnell kompliziert werden – und einiges an politischer und auch finanzieller Sprengkraft mit sich bringen.

H wie Historiografie
Kulturlexikon

Historiografie ist im wörtlichen Sinne das «Schreiben von Geschichte»; auf gut Deutsch also «Geschichtsschreibung».