Warum Rugby mehr als nur ein Spiel ist

Laute Rufe schallen über den Kunstrasen neben dem Stadion Schützenwiesen. Die erste und zweite Mannschaft wärmen sich gerade bei einer Partie Rugby auf. Der Kampf um den Ball ist erbarmungslos. Wer ihn in den Händen hält, wird sofort zu Boden gerissen. Was hart und aggressiv aussieht, geht – ganz nach dem Motto «hart aber fair» – zu gleichen Teilen mit Fairness und Respekt einher. Rugby, das Spiel aus England, gespielt von Gentlemen, die auch gerne mal «die Sau raus lassen». So lässt sich der Sport mit dem komisch verformten Ball wohl am besten beschreiben. In der Schweiz gehört Rugby momentan zu den Randsportarten. Aber die Mitgliederzahlen der Vereine wachsen dank ihren Bemühungen kontinuierlich und auch die Weltmeisterschaften wecken das Interesse hierzulande immer wieder aufs Neue. Dieses Jahr steht der World Cup erneut an. Der Rugbyclub Winterthur will diese Gelegenheit nutzen, um mit den Winterthurerinnen und Winterthurer ins Gespräch zu kommen und neue Spieler zu rekrutieren. Auch deshalb organisiert der Club im Herbst eine Live-Übertragung der Spiele im Schützenwiesen-Stadion.

Nach dem Einspielen teilen sich die Spieler in Gruppen auf; nach Spielposition und nach Mannschaft. Die «Neuen» bilden zudem ein eigenes Grüppchen. In diesen kleinen Gruppen trainieren sie Standardsituationen und bestimmte Spielzüge. Dadurch werden die Bewegungen automatisiert. Trainer Louis geht von Gruppe zu Gruppe und gibt Anweisungen und Verbesserungsvorschläge. Ansonsten wird selbständig trainiert. Grob umrissen funktioniert Rugby so: Es wird mit Hand und Fuss gespielt. Ein Spiel dauert 80 Minuten und ist in zwei Halbzeiten geteilt. Jede Mannschaft hat 15 Spieler auf dem Feld. Jeder Spieler hat eine bestimmte Aufgabe. Die Stürmer sind eher schwerere Spieler. Sie kommen vorranging für Standard- und harte Kontaktsituationen, also Tacklings zum Zug. Die athletische Hintermannschaft gewinnt durch taktisch versiertes Passen und Laufen Raum und erzielt letztendlich die Punkte. Diese Punkte können auf verschiedene Arten erlangt werden. Zum Beispiel durch das Ablegen des Balls im Malfeld des Gegners. Jeden Meter, den der Ball in Richtung Linie getragen wird, ist ein Gewinn. Durch ein Tackling soll der balltragende Spieler daran gehindert werden. Tacklings oberhalb der Schulter sind verboten und führen zu einem Penalty. Eine weiter bezeichnende Standardsituation ist das Gedränge, auch Scrum genannt. Dies kommt nach kleineren Regelverstössen zum Tragen.

Am Ende des Trainings versammeln sich alle in einem grossen Kreis. Trainer Louis gratuliert zum erfolgreichen Training und gibt noch letzte Informationen zum Spiel am Samstag.

Das Bier und die Einwanderer

Nachdem Training trifft man sich in der Clubbar auf ein Bier. Bier – da hatte auch die Idee für einen Rugbyclub Winterthur ihren Ursprung. Im Frühjahr 2009 im nächtlichen Winterthur hatten zwei eingewanderte Franzosen im Irish Pub Paddy O'Briens nach ein paar Gläsern den Einfall. Noch in derselben Nacht schrieben sie die Statuten, gewannen das Paddy's als Hauptsponsor und rekrutierten gar die ersten Spieler. Heute, sechs Jahre später, hat der Rugbyverein so viele Mitglieder, dass sogar eine 2. Mannschaft möglich ist. Rugby sei ein Sport für jedermann und -frau. Egal welchen Körperbau oder welche Fitness man mitbringt, es gibt für alle eine geeignete Position. Grosse und Laufstarke eignen sich für Forward, Kleine und Schwere taugen besser für Backward. Es kommt auch kaum darauf an, welche Sprache du sprichst. Im Training wird zwischen Deutsch und Englisch geswitcht. Dem Rugbyclub Winterthur ist es wichtig, jede und jeden zu integrieren, der Bock auf Rugby hat. Ein gutes Beispiel dafür ist Trainer Louis. Er kam vor fünf Jahren aus Neuseeland in die Schweiz. Der Rugbyclub Winterthur war für ihn eine grossartige Chance, um Leute kennen zu lernen und ein soziales Netzwerk aufzubauen. Da er aus Neuseeland viel Erfahrung im Rugbysport mitbrachte, übernahm er auch den Posten als Trainer. «Es geht hier nicht nur ums Spielen», erzählt er im sympathischen Englisch-Deutsch. «Wir sind eine richtige Familie. Der Zusammenhalt ist extrem stark.» Dies spiegelt sich auch im Engagement der Mitglieder wieder. Mit viel Herzblut stecken viele ihre Freizeit in das Vorankommen des Clubs. Dabei ist die Juniorenarbeit sehr wichtig. Mit Schulbesuchen und Samstagtrainings versucht der Club bereits die Kleinen für den Sport zu begeistern. Aber es sei schwer, Kinder für den Sport zu gewinnen. Man komme selten an die Eltern heran, und Fussball sei immer noch sehr beliebt. Auch das Frauenrugby ist ein Dauerthema. Der Versuch, eine Frauenmannschaft zu bilden, wurde vor kurzem aber auf Eis gelegt. Deshalb trainieren die Frauen momentan mit den Männern.

Rugby lieben und leben

Am Samstagmorgen sind hinter dem Salzhaus alle bereit zur Abfahrt nach Bern. Es ist das erste Mal, dass Anzugspflicht herrscht. Man will als Mannschaft wahrgenommen werden, als Einheit. Ein paar packen die Krawatten erst vor dem Car aus dem Plastik aus. Bern ist ein starker Konkurrent, den man bis jetzt noch nie geschlagen hat. Trotzdem ist die Stimmung im Car sehr locker, es wird viel gelacht und geredet. In Bern angekommen, steigt die Nervosität merklich, es wird nur noch wenig gesprochen. Das Spiel der zweiten Mannschaft läuft nicht gut. Sie verlieren 72-0 – im Fussball käme dies einer 5-0 Niederlage gleich. Nun ist die 1. Mannschaft gefordert. Ruhig und hochkonzentriert kommen sie aus der Umkleidekabine. Beim Aufwärmen werden die wichtigsten Spielzüge noch einmal ausgeführt und verinnerlicht. Auch Trainer Louis in Anzug und Krawatte spielt mit. Kurz vor Spielbeginn versammelt er seine Mannschaft in einem Kreis. Louis richtet letzte Anweisungen und motivierende Worte an die Spieler. Dann ertönt der Startpfiff. Die ersten 50 Minuten hält Winterthur gut mit den favorisierten Berner mit. Doch dann drehen die Berner auf und tanzen den Winterthurern auf der Nase herum. Der Trainer steht zwar ruhig am Spielfeldrand, aber in seinem Gesicht widerspiegelt sich die Anspannung. Die Winterthurer verlieren die Partie 38-3. Nach dem Schlusspfiff bilden die Berner zwei Reihen und lassen die Verlierer zwischen sich hindurchgehen. Sie klopfen ihnen auf die Schultern und gratulieren zum Spiel, danach wird das Ritual umgedreht. Der Frust der Winterthurer über das verlorene Spiel ist deutlich spürbar. Trotzdem applaudieren sie den Bernern und beglückwünschen sie. In den meisten Sportarten ist das Match hier zu Ende, nicht so im Rugby. Nach dem Umziehen startet die sogenannte dritte Halbzeit. Die Gäste werden vom Heimklub in ihr Stammlokal auf ein Bier und etwas zu Essen eingeladen. Bei Berner Bier und einer kalten Platte lässt man den Tag ausklingen. Die Stimmung ist ausgelassen und man amüsiert sich. Bevor die Winterthurer wieder abreisen, werden noch die sogenannten «men of the match» gekürt. Tosender Applaus ertönt und man gratuliert und bedankt sich noch einmal für die gespielte Partie. Unter den Gekürten wird zum Schluss ein Bierwetttrinken veranstaltet. Dieses Mal gewinnen die Winterthurer. Spätestens nach dieser dritten Halbzeit ist klar: Rugbyspieler sind nicht die harten, erbarmungslosen Kerle, für die sie allgemein gehalten werden. Die Aggressionen im Spiel sind gleichauf mit Respekt und Kollegialität auf und neben dem Platz.

Die erlittene Schlappe interessiert die Winterthurer nach anfänglichem Frust kaum mehr, denn Rugby ist für jeden einzelnen der Mannschaft mehr als nur ein Spiel. Es geht um Akzeptanz, Integration, Fairness und Sportgeist. Der Sport ist eine Lebensschule, die die Werte und Normen vermittelt, mit denen sich die Mitglieder identifizieren. Dies ist das echte Rugby und hat nur noch wenig zu tun mit dem gesellschaftlichen Bild. Die Winterthurer leben und lieben den Sport, der ihnen viel zurückgibt. Sie wollen ihn in seiner Eigenart bewahren und weitergeben.

 

Public Viewing der Weltmeisterschaft-Spiele im Stadion Schützewiese finden vom 18. September bis 31. Oktober statt. Mehr Infos unter https://www.facebook.com/RUGBYWM2015.

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