Das Tor zur Winterthurer Unterwelt

Das Tor zur Winterthurer Unterwelt

Dass Kunst im öffentlichen Raum nicht nur in der Altstadt, in Parks oder anderen prominenten Stellen Platz findet, zeigt der rostige Gitterzaun der aus St. Gallen stammenden Künstlerin Katja Schenker.

Inmitten des Industrieareals, gleich hinter dem Bahnhof Grüze, befindet sich die Kehrichtverbrennungsanlage Winterthur. Diese wurde 2013 umfassend umgebaut und anschliessend auf der Nord- und Westseite von einem gut 200 Meter langen Kunstobjekt mit dem Titel «Kerberos» umhüllt.

 

Als mehrköpfige Hundegestalt der griechischen Mythologie taucht Kerberos immer wieder in der Literatur und Bildenden Kunst auf. Als Torhüter bewacht er den Eingang zur Unterwelt und sorgt dafür, dass keine Lebenden eindringen und keine Toten je herauskommen. Was die Winterthurer Interpretation von anderen Ausführungen des Kerberos unterscheidet, ist das Abstrakte, Nicht-Figurative. Deren sinngemässe Deutung klärt sich mithilfe des Titels, und es benötigt durchaus etwas Fantasie und Wille zum Verständnis, um den Zaun als das zu sehen und zu schätzen, wofür er steht. Unter Aufsicht der Künstlerin wurde der Gitterzaun während mehreren Tagen vor Ort dreidimensional verformt – mit Baggern, Ketten und Schweissgeräten. «Ich habe mir vorgestellt, dass ein textiles Band das Areal umspannt, welches dann durch die schiere Kraft der KVA deformiert wird, so entstand Kerberos», erklärt Katja Schenker.

 

Wie es bei Kunst am Bau oft der Fall ist, fielen die Reaktionen der Bevölkerung sehr unterschiedlich und auf den verbeulten Zaun vorwiegend negativ aus. Die einen erkennen darin gar keine künstlerische Intention; und viele, die es tun, sehen weder Funktion noch Ästhetik. Hinzu kommt, dass das Kunstwerk eine Stange Geld gekostet hat – wenn auch das Winterthurer Volk die Kreditvorlagen zum Umbau der KVA, inklusive der künstlerischen Gestaltung, zuvor verabschiedet hatte.

 

Bleibt zu erwähnen, dass Schenkers Projekt 2015 von visarte, dem Berufsverband visueller Kunst, ausgezeichnet wurde: Als fragiler Kontrast zum kolossalen Bau, in dem die zerstörerische Feuerwucht versteckt bleibt, wird diese mit der künstlerischen Intervention gegen aussen sichtbar gemacht. visarte setzt sich übrigens auch dafür ein, dass seit 1950 ein Prozent der Bausumme von Bundes- und teils kantonalen Bauten für die künstlerische Gestaltung eingesetzt werden kann. Im Falle von Kerberos waren es gerade mal 0.16 Prozent.

Franca Bernhart hat Kunstgeschichte studiert und ist Co-Präsidentin der oxyd – Kunsträume.

Jonas Reolon ist freischaffender Kameramann und Fotograf.

 

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