Tom, Ritzel und Andi irren auf ihren Velos durch die Stadt Zürich und versuchen zu verhindern, was längst klar ist: Dass sie die Hinterallerletzten des laufenden Velokurierrennens werden. Die alten Hasen kommen an diesem rasanten Wettbewerb einfach nicht in Schuss und so fahren sie denn tatsächlich ins Ziel als «Dead Fucking Last» (DFL), Hinterallerletzte. Doch die jungen Velokuriere, gegen die sie verloren haben, verleihen ihnen nicht nur den DFL-Trostpreis, sondern auch eine Trophäe zum 25-jährigen Jubiläum. So lange betreiben nämlich die drei Vollblut-Kuriere, gespielt von Michael Neuenschwander, Markus Merz und Mike Müller, bereits ihr Velokuriergeschäft. Wobei «Geschäft» nicht ganz das zutreffende Wort ist. Ihre Bude haben die Ex-Punks aus den 80ern damals nämlich als kooperative Genossenschaft gegründet und sie auch gleich so getauft: «Die Genossenschaft».
Der Film «Dead Fucking Last» von Walter Feistle erzählt die Geschichte von drei Idealisten, die einen bösen Zusammenstoss mit der gegenwärtigen Realität erleiden. Erstaunlich lange konnten sie ihren solidarischen, antikapitalistischen Geist ausleben, mitten in Boomtown Zürich. Wohl vor allem, weil bisher schlicht die Konkurrenz fehlte. Und nun holt sie die Entwicklung ein. Die «Girls.Messengers» drängen auf den Markt, betreiben offensives Marketing und werben den alten Platzhirschen massenweise Kundschaft ab. Die drei ungleichen Typen Tom, Ritzel und Andi sträuben sich lange dagegen, sich auf den Kampf um den Markt einzulassen, diese kapitalistische Manipulation geht ihnen komplett gegen den Strich. Doch irgendwann läuft ihnen neben der Kund- auch die Belegschaft davon. «Irgendöpis müemer anderscht mache!», ruft Andi (Mike Müller) aus und will damit Tom (Michael Neuenschwnader), dem eigentlichen Kopf der Genossenschaft, Feuer unter dem Hintern machen. Und so beginnt ein unterhaltsamer Kampf um Marktanteile, Cash, Macht und – Identität. Wobei auch die obligate kleine Liebesgeschichte nicht ausgelassen wird. Dass sich ausgerechnet die grössten Konkurrenten ineinander verlieben, ist vielleicht nicht besonders originell, bietet aber durchaus Stoff für eine Prise Abenteuer.
Der Film ist kurzweilig und lustig, wenn die Erzählung auch nicht immer in einem Fluss bleibt, sondern stellenweise ein wenig holpert. Das schadet dem Film kaum, ist doch der Alltag der Velokuriere, die in dem Film liebevoll porträtiert werden, ebenso wellenartig und rau wie die Persönlichkeiten der drei Hauptfiguren in ihrem ewigen Aufbegehren gegen den Kapitalismus.
Fast nebenbei leuchtet DFL eine reiche stadtzürcher Szene aus, zu der nicht jeder Zugang hat. Dass Feistle und seine Crew mit echten Velokurierinnen und -kurieren zusammengearbeitet haben, zahlt sich aus. Die Darsteller und Darstellerinnen der Belegschaft sind allesamt Vollblut-Velokuriere. Ihre Umgangsformen, ihr Ausdruck, ihr Stil bis hin zur Ausstattung in der «Bude» der Genossenschaft sind lebensecht und versprühen einen ganz eigenen Charme.
Was den Film aber wirklich sehenswert macht, ist ein Aspekt, der sich wie ein roter Faden durch alle Wendungen der Geschichte zieht und mancher Zuschauerin und manchem Zuschauer nur allzu vertraut sein dürfte. Tom, Ritzel und Andi stehen als Vertreter ihrer Generation gleichsam zwischen zwei Welten. Die Jungs, heute zwischen 40 und 50 Jahren alt, sind Kinder der 80er-Bewegung und kamen ihr Leben lang nie ab von ihrem Wunsch nach Freiraum gegen wirtschaftliche Abhängigkeit und Fremdbestimmung. Der typische Schweizer Alltag, diese bürgerliche Biederkeit, blieb ihnen bis heute ein Graus. Rührend, wie die drei alternden Buben in «Dead Fucking Last» an ihrer Lebensform mit aller Kraft festhalten wollen und dabei langsam ernüchtert feststellen, dass der «neoliberalistische Scheiss» inzwischen auch in ihre Szene eingedrungen ist. Besonders Michael Neuenschwander trägt als Andi sichtbar einen inneren Kampf aus, der ihn schier zur Verzweiflung treibt. Eine Darstellerleistung, die den Film über gewisse Strecken wesentlich trägt. Währenddessen spielt Markus Merz mit Ritzel eine fast schon bemitleidenswerte Figur. Mit geschätzten über 40 lebt er noch immer in einer WG und tippt zur Rettung der Genossenschaft auf einer alten Schreibmaschine ein revolutionäres Manifest. Tapfer wehrt er sich bis zum Schluss gegen alles, was ansatzweise kapitalistisch ist – koste es ihn auch Job und Bleibe. Da ist es Andi (Mike Müller) doch etwas leichter gefallen, sich mit der neuen Realität zu arrangieren. Er steht zwar voll und ganz hinter der Gemeinschaft, doch hat er sich ein Stück weit angepasst an die Begebenheiten. Vielleicht aus Bequemlichkeit, vielleicht auf Pflichtgefühl – er ist der einzige der dreien, der Familie hat.
Velokuriere sind Stehaufmännchen, wie der Film deutlich vermittelt, und so lassen sich die Genossenschafter nicht kampflos vom Platz fegen. Und auch die rebellische Kraft der Genossenschafts-Gründer ist noch nicht gänzlich verwelkt. Gegen Ende des Films flackert sie überraschend noch einmal auf in einer Szene, die schlicht mit «Rock’n’Roll» betitelt werden kann. Es sind solche Szenen, die dem Film seine ganz eigene Dynamik und einen ausgesprochenen Unterhaltungswert verleihen: Eine Racheaktion gegen ihren Feind und ehemaligen Freund «Fat Frank» (grandios besetzt mit Roeland Wiesnekker) stürzt eine Party mit der Schickimickeria Zürichs in ein anarchisches Chaos. Mit Leidenschaft und Freudenjauchzer machen die drei zünftig Radau, um sich später wieder dem echten Leben zuzuwenden, wo sie sich doch noch etwas Neues einfallen lassen, um nicht unterzugehen.