Jonas Projer, der Arena-Moderator, steht mitten im Ring. Das Publikum johlt, links, rechts die schwitzenden Boxer, bereit für den Kampf. «Find ich nicht so gut», sagt Jonas Projer, und nippt an seinem Kaffee in der SRG-Cafeteria. Die erste Bild-Idee zu diesem Porträt überzeugt ihn nicht. «Politik ist kein Boxkampf, sondern hat viel mehr mit Verhandlung und Versöhnung zu tun. Der Kampf ist nur für die Galerie, für das Publikum.»
Dabei arbeitet Jonas Projer selbst für das Publikum. Seit Sommer 2014 moderiert er wöchentlich die Sendung «Arena» des Schweizer Fernsehens. Die Sendung, in der schon unzählige ideologische Kämpfe ausgefochten, Parolen platziert und politische Pfeilspitzen geschossen wurden. Doch Jonas Projer, der früher in der Kantonsschule Rychenberg die Schulbank drückte, hat die Sendung renoviert. Der reine Kampf ist dem 34-Jährigen, der früher im Sport immer als letzter gewählt wurde, zu langweilig, zu nichtssagend. «Natürlich lebt die Arena auch von der Konfrontation, doch wie auch die Politik will die Sendung darüber hinausgehen, Kompromisse abbilden. Und vor allem sollte Respekt bewahrt werden».
Respekt. Es ist eines jener Wörter, welche Jonas Projer oft braucht. Demut gehört auch dazu. Und Familie. Politiker-Wörter, eigentlich. Doch man nimmt sie dem Moderator und dreifachen Familienvater ab. Überzeugend zu sein hat der Journalist natürlich geübt – «lächle vor der Kamera und beende den Satz immer mit einem Punkt.» Doch er kann es auch deshalb so gut, weil er es ernst meint. Denn Jonas Projer wirkt ehrlich. Und nett.
«Glaubst du nicht auch, dass die Menschen dazu tendieren, ihre Erfolge sich selbst zuzuschreiben, ihre Misserfolge aber den anderen? Das ist doch idiotisch», sagt er, angesprochen auf seinen Lebenslauf: Praktikum beim US-Korrespondent Tilman Lingner in Washington, danach Inlandkorrespondent für das Schweizer Fernsehen, mit 28 Jahren Brüssel-Korrespondent, mit 33 Arena-Moderator. Jonas Projer spricht von Glück, von den richtigen Momenten. «Ich dachte, ich werde Filmer, ein grosser Regisseur, habe die ZHdK besucht und das vier Jahre lang versucht. Aber ich war schlicht nicht gut genug.»
Er sei ein eher unsicheres Kind gewesen. «Heute wächst mein Selbstbewusstsein daraus, dass ich denke: Ich schaffe das. Ich bin wieder nicht untergegangen.» Aber Jonas Projer will nicht nur nicht untergehen. Er will es perfekt machen. Jede Sendung schaut er sich im Nachhinein an und hinterfragt sich. Doch Perfektionismus ist, wie er sich selbst eingesteht, nicht allzu weit entfernt von Eitelkeit.
Jonas Projer ist es wichtig, wie er auf seine Zuschauer wirkt. Er will Bürgernähe: «Als Snob wäre man in diesem Job am falschen Ort.» Ein Snob ist er nicht. Die Familie hat erste Priorität und wenn ihm mehr Zeit geschenkt würde, würde er davon jede Minute mit seiner Frau und den drei kleinen Kindern, ein Sohn sowie Zwillingsmädchen, verbringen. Seine Jugend hat er in Winterthur verbracht, mit der Familie wohnt der bekennende Stadtmensch heute in Zürich. Wenn er nach Hause komme, helfen die Kinder ihm wegzukommen von der Arbeit, dem Stress: «Wenn ich heimkomme, sind sie da. Ihnen ist es egal, was du gerade gemacht hast. Du bist dann zu Hause und gehörst ihnen: Hier ein Pflästerli drauf, dort ein Kleberli weg und am Schluss dann noch ein Gschichtli.» Zeit für Hobbies bleibt da keine mehr. Freundschaften versuche er mit gelegentlichen Essen am Leben zu halten.
«Müde» sei er, sagt Jonas Projer. «Ich habe das Gefühl, seit ich Kinder habe, bin ich permanent übermüdet. Aber ich kann damit umgehen.» Sagt’s, kritzelt im nächsten Moment voller Elan Gedanken auf einen vor uns liegenden Zettel, erklärt, hört die nächste Frage, antwortet schnell und überlegt, der Blick konzentriert, die Augen kontrollierend auf dem Stift, der da seine Antworten niederschreibt. Hellwach.
Zwei Tage nach dem Interview wird er eine Arena-Sendung halten zum Service Public. Sie wird danach in den Medien kritisiert werden. Jonas Projer wird sie sich angeschaut haben. Und er wird als Perfektionist alles niedergeschrieben haben, was er besser machen will – bevor ihn eine Kinder-Stimme wieder aus der Arbeitswelt zurückholt: «Papa, kannst du mir ein Gschichtli erzählen?»