Ein Leben für das Kino

Ein Leben für das Kino

Im Gymi entdeckte Liliane Hollinger ihre Liebe für die Filmwelt. Vor fünf Jahren machte sie ihre Leidenschaft mit dem Kino Cameo zum Beruf.

Ohne Intention geht Liliane Hollinger schon lange nicht mehr ins Kino. Bereits im Gymi in Wohlen war sie Mitglied eines Filmclubs. Im Kino Rex ging sie jeden Mittwoch abend ein und aus. Da war ein Film über einen Tiefseetaucher und ein anderer über einen Maul-trommler, erinnert sich die Leiterin und Programm verantwortliche des Kino Cameo.«Le grand bleu» und «Trümpi» haben ihr Interesse für die grosse weisse Leinwand geweckt. Heute muss sie schmunzeln, wenn sie über diese Filme spricht; mit den Jahren ändere sich auch der Filmgeschmack. An die Zeiten im Rex denke sie aber gerne zurück. «Dort habe ich die Magie des Kinos entdeckt», sagt die 45-Jährige. Besonders fasziniere sie, dass Filme zu Auseinandersetzungen anregen – mit sich selbst sowie mit wichtigen Themen, die die ganze Welt umtreiben. «Im Kino ist der Puls der Zeit zu spüren.»


Nach ihrer Ausbildung zur Primarlehrerin wechselte die Kulturliebhaberin vom Zuschauer*innensessel in den Vorführungsraum. Im Aarauer Kino Freier Film arbeitete sie ehrenamtlich als Operatrice. Stundenlang klebte sie 35 mm-Filmstreifen zusammen: zuerst die Trailer, dann die sechs bis acht Akte eines 90-minütigen Films. Im letzten Jahr als Primarlehrerin absolvierte sie einen berufsbegleitenden Kulturmanagement-Kurs. Am Animationsfilmfestival Fantoche war Liliane erstmals für die Beschaffung der Filmkopien sowie deren Rechte verantwortlich. «Das lernt man mit der Erfahrung, es braucht ein gewisses Gspüri für die Verhandlungen», sagt sie. Hartnäckigkeit gehöre dazu, schliesslich «ist Kino nicht da, um Filme in Archiven zu lagern.» Die Preisverhandlungen sowie die Organisation der Transporte für das 30 Kilogramm schwere 35 mm-Filmmaterial haben nicht nur einmal für Bauch- und Rückenschmerzen gesorgt. Für Notfälle gäbe es ein Film-Taxi, das die 35 mm-Kopien auch kurzfristig über die Grenzen transportieren könne.

Die Kinoleiterin scheint nichts so schnell aus der Ruhe zu bringen, auch wenn es vorkommt, dass ein Film erst zwei Stunden vor Filmstart eintrifft. Als Geschäftsleiterin des Vereins Filmfoyer in Winterthur traf sie sich fünf Jahre lang jeden Dienstagabend mit anderen Vereinsmitgliedern im Kino Loge. Im Oktober 2015 gründeten sie aus dem Verein heraus das Kino Cameo, um die Lücken an Arthouse- und Reprisenfilmen zu füllen. Noch immer steht das Cameo unter dem Sulzer-Schutzdach auf dem Lagerplatz. Nicht nur das Kino hat sein Fünf-Jahre-Jubiläum, auch Liliane, die kurz nach der Eröffnung selbst in die Winterthurer Altstadt gezogen ist, kann bald ihr fünftes Wohn-Jahr in der Eulachstadt feiern. «Es war eine super intensive Zeit mit einem tollen Team», sagt sie rückblickend auf die vergangenen Jahre mit hoher Arbeitsbelastung. Besonders schön seien all die Besuche von Filmschaffenden sowie die Kooperationen.

Bis zu sieben Filme sieht sich Liliane in einer Woche an. Ihr Lieblingsfilm wechselt ständig. Früher empfand sie vor allem Dokumentarfilme als bereichernd, inzwischen ist sie für alle Genres – auch Horrorfilme – zu begeistern. Gern hat sie auch überlange Filme – darunter den knapp achtstündigen «Sátántangó». Obwohl sie sich normalerweise gerne für ein paar Stunden in einen «dunklen Kinosaal verdrückt», visioniere sie meist in ihrer Freizeit in den eigenen vier Wänden. Dafür hat sie sich extra einen kleinen Beamer angeschafft. Am allerliebsten schaue sie sich die Premieren jedoch direkt an den Filmfestivals an, denn da sei «die innere Reise, die man miteinander macht» besonders spürbar. Ob das Filmfestival in Locarno, die Filmtage in Solothurn, die Berlinale, das Visions du réel in Nyon oder das Nifff in Neuchâtel, Liliane besucht sie alle gerne. Zusammen mit einer Freundinnengruppe setze sie sich in bis zu 30 Filmaufführungen pro Festival. «Man hat immer das Gefühl, dass man etwas verpasst, wenn man sich nicht alles anschauen kann», erzählt sie. Als Kuratorin könne man dem Überangebot von stets neu erscheinenden Filmen nicht gerecht werden: «Man hinkt immer hinterher.» Zum Ausgleich zieht es die Kinoliebhaberin in ihrer Freizeit in die Natur. Sie sagt: «Kühen auf einer Weide beim Grasen zuzusehen, anstatt in einer Doku, finde ich eben auch super.»

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