«Worte sind die Körper der Gedanken», sagt Katja Kunz in ihrem schmalen Büchlein «Für das Leben und alle, die es leben», welches sie zusammen mit einer Grafikerin-Freundin aus ihren Skizzenbüchern herausdestilliert hat. In ihrem hellen und hohen Atelier im Gebäude des Fotomuseums, treffen wir sie an, die Künstlerin. Im Gespräch stossen wir schnell auf die Bedeutung der Worte: «Ich war immer ein eher introvertiertes und angepasstes Kind, habe viel gelesen und gchlütterlet, war später oft stundenlang im Wald unterwegs.»
Katja Kunz wuchs in Appenzell Ausserrhoden auf, auf dem Land. Kunst wurde erst in der Kantonschule in Trogen ein Thema, auch Sprache, immer schon. Da gab es die Leidenschaft für die russische Sprache, der sie lange und intensiv nachging. Und da waren viele vorgefasste Meinungen, wie ein Leben zu verlaufen habe. Meinungen, von denen sie sich erst befreien wollte. «Deshalb bin ich eine Spätzünderin», sagt Katja. «Ich musste vorher durch die Welt ziehen, ehe ich dem Drang nach künstlerischem Ausdruck nachgeben konnte.» Dann aber war klar, dass sie die Kunst studieren wollte. Und es auch tat. Ihre erste Ausstellung realisierte, 2009. EIn Jahr vorher kam ihre Tochter auf die Welt, erzählt sie.
«Eine Frau kann nicht ernsthaft Kunst machen, mit einem Kind schon gar nicht; solche alten Glaubenssätze beeinflussen mich zuweilen bis heute», sagt Katja. «Der strenge Rhythmus von Kind und Beruf gibt mir Struktur. Wenn ich meinen Tag im Atelier habe, betrete ich es schon mit Ideen im Kopf, die ich im Laufe des Alltags gesammelt und angebrütet habe. Ich setze mich zum Beispiel an die Nähmaschine und nähe, wie beim automatischen Schreiben, Worte ins Band, die reihen sich auf und auf – es ist ein Fluss, der auch Fleiss erfordert. Wieder so ein Paradox.»
Wir sprechen über Paradoxe in Kunst und Leben, dass oft gerade in dieser Schnittstelle der kreative Prozess zu drängen beginnt und Form annehmen will. «Hirnwindungen», hat sie eine ihrer Schachteln angeschrieben – und dieser Begriff scheint sinnbildlich für manche ihrer luftigen Arbeiten. Luft und Leichtigkeit sind substantielle Themen, die sie beschäftigen.
Zur Zeit arbeitet Katja gerne mit Polyestervlies, Japanpapier und Kupferdraht. Immer wieder «rutscht» die Schrift in ihre Arbeit. Oft ist es die Spiegelschrift, die sie verwendet. «Mich interessiert das SchriftBILD, weniger der Inhalt.»
«Ich lasse mich von allem Erleben, von der Natur – sie ist ja mittlerweile auch im Grossstadtdschungel aufzuspüren – von Körper und Empfindung, von Büchern, von Kunst und von Gesprächen mit meinen Kolleginnen und Kollegen inspirieren», sagt Katja und fügt an: «Ich hänge am Material. Ich warte auf den Moment, in dem der Gedanke Form annimmt. Zugleich fasziniert mich die Flüchtigkeit.» Katja zeigt ein Foto, auf dem sie den Boden bei ihrem früheren Atelier beschrieben hat. Der Regen hat das Bild weggewaschen, es bleiben Fotos. Als (Un-)Möglichkeit des Festhaltens...
Katja Kunz in Winterthur
Ausstellung, Gärtnerstrasse 15, bis 14.2.2014, Mo – Fr 10-18 Uhr
Open Doors, 29./30. 9. 2013
Perform Now, Gaswerk, 5.10.2013
Publikation
«Für das Leben und alle, die es leben» – Skizzen und Worte 2005-2010, handgebunden und signiert, 50er-Auflage, 50.- (erhältlich bei „Buch am Platz“, „ohne Titel“ oder bei der Künstlerin)
Katalog, Werke von 2009-2013 (erhältlich bei der Künstlerin)
www.katjakunz.ch