Die optimistische Skeptikerin

Die optimistische Skeptikerin

Sie forscht, unterrichtet und stellt aus: Als Co-Leiterin und Kuratorin des Gewerbemuseum Winterthur möchte Susanna Kumschick sensibilisieren und das Entdecken ermöglichen.

Ein grosses weisses Papier liegt in ihrem Büro auf dem Tisch. Darauf kleben kleine Bilder von Design- und Kunstobjekten, die mit farbigen Notizzettelchen versehen sind. Sie entschuldigt sich für die Unordnung. Susanna Kumschick sucht mit ihrem Team gerade die passenden Elemente für die neue Ausstellung «Federn – wärmen, verführen, fliegen». «Mich interessiert es, über den Tellerrand zu schauen», sagt Susanna Kumschick. Für ihre Ausstellungen stellt sie sich immer Fragen, die in der heutigen Zeit relevant sind, und wählt Themen, zu denen die Menschen einen Bezug haben –  sei es bewusst oder unbewusst. «Am Anfang ist nichts ausser der Lust, einer Frage nachzugehen.»

 

Ihr Blick folgt einer Mutter mit ihrem Kind, die gerade über den Kirchplatz spazieren. «Mein Studium in Ethnologie hat meinen Blick auf die Welt geprägt», sagt die gebürtige Luzernerin. Sie widmete sich unterschiedlichen visuellen Kulturen, aber auch dem Film und der Musik, und suchte Antworten auf Fragen wie «Wie werden fremde Kulturen dargestellt?» oder «Welche kulturellen und sozialen Aspekte hat die Musik?». Sie forschte, begann zu unterrichten und auszustellen. Seit sieben Jahren vereint sie all dies in ihrem heutigen Job im Gewerbemuseum. «Der Weg hat sich gelohnt.» Genau diese Vielfalt mag die Kunst- und Kulturliebhaberin so an ihrem Beruf. In der Co-Leitung gestaltet sie das Programm und führt ein engagiertes Team. In der Ausstellungsproduktion stehen der kreative Forschungsprozess der Inhalte und die Organisation im Vordergrund. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit ihrem Team, den Kunstschaffenden oder den Besucher*innen.

 

Wenn im Gewerbemuseum eine neue Ausstellung entsteht, unterscheiden sich die Herangehensweisen und somit auch Susanna Kumschicks Arbeit enorm. Bei Eigenproduktionen, wie der Federn-Ausstellung, umkreist sie das Thema, bis es aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet ist. Einige ihrer Ausstellungen reisen auch weiter, wie «Oh, Plastiksack», «Tattoo» oder «Plot in Plastilin», nach Lausanne, Hamburg und nächstes Jahr nach Holland. Manchmal werden auch bestehende Ausstellungen von einem anderen Museum übernommen, wofür Susanna Kumschicks Netzwerk gefragt ist. «Solange ich diesen Job mache, ist die intensive Auseinandersetzung mit Kultur ein Muss.» Sie besucht weltweit Museen und Ausstellungen, immer mit professionellem Blick. Erholung sucht sie bei einem Theater- oder Konzertbesuch – oder beim Lesen. Sie mag Winterthur sehr, aber «die Stadt dürfte noch stolzer sein», stolzer auf das reichhaltige Kulturangebot.

 

Das Medium Ausstellung ist für sie einzigartig. «Es ist multimedial und ermöglicht direkte Begegnungen mit den Exponaten.» Zudem lässt eine Ausstellung zu, etwas im eigenen Tempo zu betrachten. Man kann sie in einer Gruppe oder zu zweit besuchen und unmittelbar darüber diskutieren oder auch alleine durch die Räume streifen. «Das findet man so nicht auf Instagram», sagt sie. «Ein Museum muss heute ein offener Ort sein.» Er soll das Interesse der Besucher*innen wecken und Begegnungen ermöglichen.

 

«Ich sage nicht, dass eine Ausstellung die Welt verändert.» Sie macht eine runde Bewegung mit ihren Händen und legt sie wieder auf den Tisch. Ihr geht es darum, Inszenierungen zu schaffen, aus denen man beschwingt oder nachdenklich heraustritt. Sie möchte für ein Thema sensibilisieren und Möglichkeiten bieten, Entdeckungen zu machen. Schön sei es, wenn sich die Besucher*innen auch nach der Ausstellung für das Thema interessieren und anders über etwas denken. Die studierte Ethnologin erlebt es selbst nicht anders: Durch Erkenntnisse aus der Recherche beginnt sie oft, ihr Verhalten zu hinterfragen. «Die Feder etwa ist nicht nur ein Meisterwerk der Natur, das die Menschen gestalterisch und funktional nutzen, sie bietet viele Gelegenheiten, um über verschiedene Dinge nachzudenken.» Etwa über Biodiversität, Nachhaltigkeit oder über die Beziehung zwischen Mensch und Vogel. Susanna Kumschick geht optimistisch, aber dennoch skeptisch durch die Welt: «Man sollte Bestehendes immer wieder neu denken und mit anderem Blick betrachten.»

 

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