Alle Aufnahmen entstanden bei Nacht und ganz ohne künstliche Beleuchtung. In der urbanen Finsternis, den rhythmisch aneinander montierten Filmbildern, wirken die wenigen Menschen verloren, manchmal schlafwandlerisch. Betrunkene torkeln in ein Taxi oder werden aus der Bahnhofshalle vertrieben, Polizist*innen patrouillieren entlang einer leeren Strasse, wieder andere begehen unheimliche Prozessionen und Riten.
«Geschichte der Nacht» ist auch ein Stadt-Film. Während sich das verwandte Genre der «Grossstadtsymphonie» meist auf nur eine Metropole beschränkt, mischt Klopfenstein Aufnahmen aus diversen europäischen Städten: gedreht wurde u.a. in Irland, der Schweiz, Italien, Polen und der Türkei. Der Schweizer Regisseur sagte in einem Interview, er hätte versucht das damals geteilte Europa als einheitliche Melange zu zeigen und will den Film (zumindest heute) politisch verstanden haben. Das Wissen, dass die Bilder während 150 Nächten in mehr als einem Dutzend verschiedener Städte entstanden sind, setzt aber ein (reizvolles) Ratespiel in Gang, das dieser Intention entgegenläuft. Beim Schauen fragt man sich, wo das Filmteam sich gerade befindet, man achtet auf den kleinsten Hinweis und auf die Unterschiede statt auf das Gemeinsame.
Ein weiteres Rätsel: Müsste es nicht «Formen der Nacht» heissen? Welche «Geschichte» wird erzählt?
Stephanie Werder ist Doktorandin am Seminar für Filmwissenschaft der Uni Zürich.