Immer mit der Zeit

Immer mit der Zeit

Ana Tajouiti erfand schon als Kind ihre eigenen Choreografien. Die Leidenschaft hat sie zum Beruf gemacht: Heute tanzen in ihren Tanzstudios rund 550 Schüler*innen.

Energie hatte Ana Tajouiti schon immer viel. Als Zehnjährige besuchte sie mit ihrer älteren Schwester die Ergänzungssportstunde Jazzgymnastik. Sie fand die gymnastischen Tänze eher langweilig – und kreierte deshalb zuerst mit der Schwester, später alleine eigene Choreographien, die bei den anderen grossen Anklang fanden. Bald übernahm sie die Lektion selber, zuerst unter Aufsicht, ab 16 Jahren in eigener Regie. Mit 18 zog es sie nach Zürich; und dort tanzte sich Ana durch ihr Studium an der Colombo Dance Factory: in den Übungsräumen der Schule und durch verschiedenste Compagnien und Showtanzgruppen. Angepasst war Ana Tajouiti nie. Sie rebellierte, wenn ihr etwas nicht richtig vorkam. «Beim Zurich Dance Theater hätten wir fürs Trainieren zahlen sollen, Gage erhielten wir kaum», erinnert sie sich. Da packte sie ihre Koffer und ging. Auch bei den Movers blieb sie nicht lange. Dort war ihr die Sache zu wenig tänzerisch:«Wir probten sechs Stunden pro Tag anstrengende Abläufe ohne jegliches Tanztraining. Als ich protestierte, sagte der Leiter, ich könne ja entweder vorher oder nachher noch für mich trainieren.» Im Rückblick habe sie aber von all diesen Erfahrungen dennoch unheimlich viel profitiert, sagt Ana.

Nach den Studienjahren in Zürich zog es sie zurück nach Winterthur. Das Theater am Gleis war in den 1980er-Jahren der Ort der freien Szene, hier entstand «Neues», bisher Ungesehenes. Ana begann sich in der Arbeitsgruppe Tanz zu engagieren, wurde zur Hausgruppe mit ihrer Company und später Vorstandsmitglied. Damals bewarb man sich mit einfachsten Mitteln bei der Stadt um einen kulturellen Beitrag: Dossiers schrieb man noch keine, ein handgeschriebener A4-Zettel und ein kurzer Budgetvorschlag reichten aus. «Es war unkonventioneller und einfacher», meint Ana, und gerade diese Spontaneität trug viel zur Lebendigkeit der städtischen Kulturszene bei. Zu dieser Zeit entstand unter anderem auch tanzinwinterthur, ein Verein, der sich um das zeitgenössische Tanzschaffen bemüht und bei dessen Gründung sie mit dabei war. Später war sie Präsidentin und baute zugleich die Improvisationsplattform Improquarium auf.

Nach einigen Jahren in der freien Tanzszene wurde sie Mutter – alleinerziehend. Und stand vor der Herausforderung, das Muttersein mit dem Tanzen zu kombinieren. «Nachdem ich jahrelang von der Hand in den Mund gelebt hatte und immer nur so viele Lektionen unterrichtet hatte, um irgendwie zu überleben, musste ich nun Nägel mit Köpfen machen», erinnert sich Ana. Rund 50 Schüler*innen waren dabei, als sie 1997 gemeinsam mit Sanna Kurtenbach das aha! Studio für Tanz und Bewegung ins Leben rief – doch schon bald kamen mehr Lehrer*innen und Tänzer*innen dazu. Das Angebot ist breit und reicht von Ballett über Hip-Hop bis hin zu Modern und Jazztanz. «Viele Schüler*innen trainieren nicht nur einen Stil, sondern gleich eine ganze Palette an Stilen», erzählt Ana. Nebst dem Tanzunterricht entstehen jährlich grosse Vorstellungen im Theater Winterthur oder Vorstellungen mit der Nachwuchscompany cie.aha!plus im Theater am Gleis. In letzterer tanzen die begabtesten Schüler*innen zusammen mit Profitänzern*innen. So sind sie nicht nur in einzelnen Tanzstücken mit dabei, sondern können auch bei längeren, thematischen Choreografien mitwirken. Gastchoreografen*innen bringen ihnen neue Stile und den zeitgenössischen Tanz näher.

Live-Musik zu den Choreografien spielt für Ana eine wichtige Rolle: Kooperationen mit Winterthurer Chören, Streichquartetten, Jazzbands und zum 20-jährigen .Jubiläum gar mit dem Musikkollegium Winterthur gehören zu den Highlights für viele der jungen Tänzer*innen. Manche würden zwar auch abwandern nach Zürich ins Tanzwerk. «Doch viele kommen wieder zurück: Hier in Winterthur ist die Szene doch etwas persönlicher, und man kennt sich», sagt Ana und lacht.

Auch wenn der Körper etwas älter geworden ist das Interesse am Neuen ist bei Ana Tajouiti noch genauso vorhanden wie eh und je. An Ideen mangelt es definitiv nicht. In einer Kooperation mit professionellen Musikern*innen lässt sich ihre Improvisationsklasse derzeit von den Skulpturen der Hahnloser-Sammlung inspirieren und widmet sich dem Thema – selbstverständlich tanzend – in Haus und Garten der Villa Flora. Anfang Juni ist Aufführung, und bis dahin wird noch viel getanzt.

«Mit Keramik kann man 10 Leben füllen!»
«Mit Keramik kann man 10 Leben füllen!»
Im Porträt

Angefangen hat alles an der Diplommittelschule, als Lisa im Werkunterricht an einer Drehscheibe arbeiten durfte. Obwohl die erste Vase nicht der grosse ästhetische Hingucker wurde, war Lisa sogleich…

Mit kleinen Bewegungen Grosses bewirken
Mit kleinen Bewegungen Grosses bewirken
Im Porträt

In ihren Kompositionen verwebt sie Tanz und Theater zu kreativen Geschichten. Im Porträt erzählt Heidi J.M. Roth von ihrem Werdegang als Künstlerin und Tanzpädagogin. Ein Weg geprägt von…

«Über Kunst darf und soll man streiten»
«Über Kunst darf und soll man streiten»
Im Porträt

Eigentlich kann David Schmidhauser gar nicht genau sagen, was ihn damals zum Studium der Kunstgeschichte bewogen hat. «Kunst hatte für mich wohl immer ein bisschen etwas Mysteriöses an sich.» Heute…

Es war einmal…
Es war einmal…
Im Porträt

Ihr Hintergrund als Malerin und Modellbauerin hilft ihr beim Theater: Beim Dramatischen Verein Töss gestaltet Franziska Ryffel gerade zum 16. Mal das Bühnenbild für das Tössemer Märli. Daneben…

Hauptsache unkonventionell
Hauptsache unkonventionell
Im Porträt

Er hat immer wieder Lust auf Neues: Dave Striegel arbeitete bereits als Gitarrenverkäufer und Schauspieler, Barkeeper und Zirkusartist und ist nebenbei auch noch Sänger in drei Bands. Wer Dave fragt,…