Es war Liebe auf den zweiten Blick. Denn als Jonas Häni das erste Mal hinter einem Mischpult stand, schwor er sich, es nie wieder zu tun. Das war an einer Vieh-Gant anfangs der Nullerjahre – im Rahmen der Thurgauer Messe WEGA. Jonas, damals knapp 18 Jahre alt und in Ausbildung zum Radio- und Fernseh-Elektroniker, hatte von seinem Lehrmeister den Auftrag bekommen, die Beschallung der Rinder-Versteigerung zu übernehmen. Doch alles ging schief. Bereits beim Rahmenprogramm – einem Bauchredner – setzte das Mikrofon zeitweise aus. Dann, als der Gantrufer mit dem Anpreisen des Viehs begann, kam es zum Eklat: «Die Technik funktionierte immer schlechter und ich hatte keine Ahnung, was ich machen sollte. Die versammelten Leute beschimpften mich und ich habe Blut geschwitzt.»
Die Faszination für die Arbeit mit dem Klang blieb. Befreundete Bands schleppten Jonas an Konzerte mit. Dort war er mehr «schlecht als recht» für den Ton zuständig. Schritt für Schritt eignete er sich in DIY-Manier Kenntnisse an – eine Tontechnikschule besuchte er nie. Einfach gemacht wurde ihm der Weg nicht, denn viele erfahrene Tontechniker horten ihr Wissen lieber, als es zu teilen: «Es war schwierig, sich einen Platz zu erkämpfen.» Jonas setzte sich durch, verliess das beschauliche Herdern im Thurgau und zog in die Stadt. Zuerst nach Frauenfeld, 2008 nach Winterthur. Auf diverse Freelance-Tontechnik-Jobs, folgte eine Festanstellung im Salzhaus. Drei Jahre hatte er vor, im Winterthurer Club zu bleiben – sieben wurden es. Als «Haus-Tönler» baute er die Technik aus und profitierte vom Austausch mit seinem Vorgänger Marcel Schmied. Es war eine gute Zeit, aber irgendwann schlich sich die Routine ein. Jonas zog einen Schlussstrich und wechselte nach Zürich, in die Rote Fabrik. Daneben mischt er heute regelmässig die Basler Überflieger Zeal & Ardor, die Winterthurer Bands John Gailo und Hathors, die Vielspieler Blind Butcher, das Experimental-Projekt Flury and The Nuborns und diverse Jazzformationen wie das Colin Vallon Trio oder das Elina Duni Quartett. Im Sommer steht er als Monitor-Techniker auf Festivalbühnen – beispielsweise auch während der Winterthurer Musikfestwochen.
Jonas macht viel. Aber lieber beklagt er sich darüber, einen zu vollen Terminkalender zu haben, als über zu wenig Arbeit. Sein Job bringt es mit sich, dass er spät nach Hause kommt und während internationaler Tourneen mehrere Tage am Stück unterwegs ist. Für den Vater von zwei Kindern ist das nicht immer einfach. «Ich wünsche mir meinerseits mehr Engagement für die Familie», meint er und hinterfragt sein Arbeitspensum kritisch. Als Konsequenz nimmt er nicht mehr alle Aufträge an – viele sind es noch immer.
Teil eines Ganzen zu sein, ist Jonas wichtig. Als Tontechniker sieht er sich nicht als «letzte Instanz», wenn es um den Ton geht, sondern als derjenige, der zusammen mit der Band einen Gesamtklang kreiert. Die grossartigsten Momente seien jene, wenn «du nicht mehr weisst, wer auf der Bühne was spielt». Jene Momente, «in denen alles zu einem grossen Ganzen heranwächst» und sich das Individuum in den Dienst der Musik stellt. Das habe für ihn etwas Spirituelles. Jonas mag das Organische und den direkten Austausch mit den Bandmitgliedern. Er schätzt es, wenn er sich kreativ in der Tontechnik ausleben und seine Ideen in Projekten einbringen kann. Fast wie ein Musiker. Der 32-Jährige meint dazu: «Ich bin ein gescheiterter Musiker.» Den Auftritt als Sänger einer Schülerband musste er wegen Lampenfieber absagen – weitere Gigs folgten nicht.
Jonas trauert dem kurzen Musikerdasein nicht nach. Denn die Tontechnik ist kein Ersatz dafür, sondern seine Leidenschaft. Dementsprechend hoch sind die eigenen Ansprüche. Er hört sich jede Band, mit der er zusammenarbeiten wird, zu Hause an und versucht, deren Klangästhetik herauszufiltern: «Wie klingen die einzelnen Instrumente und Elemente und wie werden sie im Klangbild eingefügt? Mit welchen Färbungen und Raumeindrücken kommen die Stücke daher?» Am Konzertabend versucht er mit entsprechenden Mikrofonen und Effekten die gewünschte Ästhetik zu erreichen. Doch nicht jeder Raum klingt gleich und nicht immer decken sich seine Vorstellungen mit jenen der Band: «Du musst so flexibel sein, den Sound direkt am Abend anpassen zu können.» Das Wichtigste sei, dass sich die Musikerinnen und Musiker auf der Bühne wohlfühlen. Denn dann kann ein Konzert nicht nur ganz, sondern auch gross werden.