Es ist elf Uhr abends. Mit Freunden sitzt Daniela Janjic in einer Bar und diskutiert lebhaft über aktuelle politische Themen. Sie blüht richtig auf – die Nervosität, die ihr noch wenige Stunden vor der Premiere ihres Theaterstückes im Zürcher Theater Winkelwiese anzumerken war, hat sie inzwischen abgelegt. Die 30-Jährige hat viel zu sagen, nicht nur in der Diskussion mit Freunden, sondern auch in ihren Stücken. In «Tod meiner Stadt» lässt sie zwei Welten aufeinanderprallen. Das Stück setzt sich anhand einer Familiengeschichte, die sich zwischen einem stagnierendem Nachkriegsland und dem wohlhabendem Westen abspielt, mit der jüngeren politischen Vergangenheit einer kriegsversehrten Generation und der Verantwortung des Westens auseinander.
Ob in «Gelbe Tage», in dem es um eine durch Krieg zerstörte Liebe zwischen Angehörigen verschiedener Ethnien geht, in «Umsturz der Milchkanne» – ein Kurzstück, entstanden als Auftragsarbeit für die Berliner Schaubühne, in dem eine junge Frau aus dem sozialistischen Jugoslawien aus Liebe zu einem Mann in die DDR kommt, während dieser schon längst seine Ideale verloren hat und in den liberalen Westen fliehen möchte, oder im aktuelleren «Hotel Bellevue...», für welches sie mit dem Stückepreis Société Suisse des auteurs ausgezeichnet wurde und in einem märchenhaften Szenario die Geschichte einer vom Untergang bedrohten Insel und ihrer verängstigten Bewohner erzählt, – immer geht es um grössere, um wirtschaftliche und globale Zusammenhänge, die Daniela anhand von zwischenmenschlichen Beziehungen sichtbar macht. «Krieg ist in meinen Stücken zwar oft ein Thema, aber es geht mehr um die Strukturen. Mich interessieren die Auswirkungen des Politischen auf das Private, unter anderem auch deswegen, weil für mich, durch meine Biografie, das Private schon von Anfang an immer auch politisch war.» Daniela bezihet durch ihr Schreiben Stellung. «Für mich ist das Theater an sich schon politisch. Es ist ein Ort, an dem gesellschaftlich relevante Themen verhandelt werden.» Es sei eine kritische Rolle, die sie einnehme. Ziel sei es, durch ihre Stücke etwas, vielleicht auch manchmal Unangenehmes auszulösen: «Im besten Fall ist es ein Moment, der beim Zuschauer die Lust auslöst, etwas zu verändern.»
Daniela nimmt sich Zeit, wenn sie von ihrer Arbeit erzählt. Sie erklärt ausführlich und weist darauf hin, dass es schwierig es sei, die eigene Arbeit einzuordnen: «Sobald man über die eigene Kunst spricht, reduziert man sich – Max Frisch vertrat die Ansicht, dass Autoren nicht über ihre Arbeit reden sollten.» So sei auch die Verortung ihrer Stücke über ihre eigene Biographie eine Reduktion. Daniela wuchs in der bosnisch-herzegowinischen Stadt Mostar auf und musste nach Ausbruchs des Krieges im Alter von acht Jahren das Land verlassen. Sie verbrachte einen Teil ihrer Kindheit unterwegs, unter anderem in Schweden, bevor sie mit ihrer Familie in die Schweiz emigrierte. Für Daniela kommt das Selbstverständnis als politischer Mensch aus einer inneren Notwendigkeit.
Heute lebt die Autorin in Berlin, in Kreuzberg 36, ihrer «Herzensheimat». Winterthur sei aber der Ort, an dem das Gefühl hat, «nach Hause zu kommen». «Meine Eltern leben hier und ich habe viele gute Jugenderinnerungen.» Dennoch würde sich Daniela auch heute als heimatlos bezeichnen. «Ich bin eine Weltbürgerin», sagt sie. «Ich identifiziere mich zwar mit Ex-Jugoslawien. Auch mein Temperament und meine Leidenschaft habe ich von dort. Ansonsten bin ich aber in vielen Dingen eine typische Schweizerin.»
Daniela nahm 2006 am Autorenförderprogramm «Dramenprozessor» des Theater Winkelwiese teil und schrieb ihr erstes Stück «Gelbe Tage», das mittlerweile in sechs Sprachen übersetzt wurde. In Bern und Berlin studierte sie anschliessend Literarisches Schreiben. «Die Eigenproduktion «Tod meiner Stadt» war einer der grössten Schritte für mich», sagt Daniela. Zum ersten Mal übernahm sie die Regie und die Gesamtleitung. Während das Stück mit der Wiederaufnahme im Theater Winkelwiese nun vorerst einen Abschluss gefunden hat, arbeitet die Autorin schon an den nächsten Stücken, zum Beispiel «Pyramiden», das sie an einem Festival in Russland zum ersten Mal zeigen will. «Ich sollte nach Hause, ich muss noch eine Szene für das Schauspielhaus Zürich fertigschreiben», sagt sie und lässt sich in eine weitere Diskussion verleiten.