So richtig er humanitäres Engagement findet, Richard kann damit nicht viel anfangen. Der Professor für Glaziologie geniesst ein Sabbatical, besucht Tagungen in Amerika, wird von seinem Freund Tim nach Kanada eingeladen und flieht vor der Situation zu Hause. Er begegnet seiner Schülerin Idea wieder, die eine fremde Perspektive auf sein Leben bringt. Sie findet es lächerlich, wie sich Richard mit seiner Frau im Fernsehen zeigen lässt. Existenziell wird die Situation der Entfremdung von seiner Frau für ihn, weil er sich nun privat zu fragen beginnt, wo im Leben er steht, und wie es weitergehen soll: Soll er einen Ruf nach Kanada annehmen und der Flüchtlingsgeschichte und Deutschland den Rücken zu kehren? Was bringt die Zukunft und wie möchte er sie gestalten?
Seine inneren Konflikte buchstabieren mit Skepsis das Spektrum aus zwischen wohlmeinendem Aktionsdrang im Sinne einer Willkommenskultur und den damit verbundenen Schwierigkeiten. Die Stärke des Romans liegt darin, dass diese Konflikte durchgespielt werden, ohne dem Leser oder der Leserin eine eindeutige Positionierung aufzudrücken. Darum sind auch mehrere Varianten von Schlüssen eingebaut, ganz nach dem Vorbild Dürrenmatts.
«Die kommenden Jahre» umfasst 288 Seiten und wiegt 337 Gramm.
Claudio Notz ist Mitglied im Vorstand der Literarischen Vereinigung.