Coucou-MFW-Geheimtipps 2018

Es sind die Abende, die einem gerne in Erinnerung bleiben: feines Abendessen, gut ausgewählte Musik-Playlist und eine grossartige Zeit mit seinen Liebsten. In bester Erinnerung bleiben die Abende dann, wenn man mit den besten Freundinnen bis in die frühen Morgenstunden durch die Wohnung tanzt. Diesen Sommer verwandelt sich die Altstadt einmal mehr in ein zweites Zuhause. Denn die Musikfestwochen laden ein, sorgen für das feine Abendessen und die gut ausgewählte Musik-Playlist – natürlich wieder mit allerlei grandiosen Geheimtipps. Das Coucou freut sich schon aufs grosse WG-Fest und hat sich deshalb bereits durchs Programm gehört. Hier sind die Geheimtipps der Redaktion.

Sie bringen alle zum Tanzen: Von wegen Lisbeth (D)

Von Wegen Lisbeth verbreiten mit ihrer Musik sofort Tanzlaune. Die fünf Berliner Jungs machen deutschsprachigen Indie-Pop mit Gitarren, Casio Keyboards, Glockenspiel und Omnichord (elektrische Harfe, Wert 2,50 Euro). In ihren Liedern singen sie über banale Alltagssituationen, über Träume, über die Lieblings-Kneipe und natürlich immer über Mädchen. Sie sind frisch und ungewöhnlich anders. Im Sommer 2016 haben sie ihr Albumdebüt «Grande» veröffentlicht. Trotz dem Hype sind sie aber noch die alten geblieben und produzieren von den Videos, bis über das Bühnenbild und die T-Shirts, immer noch alles selbst. Und wenn Von Wegen Lisbeth «wenn du tanzt» anspielen, bringen sie alle zum Tanzen.

 

Mittwoch, 08.08.2018, 20:15 bis 21:45, Steinberggasse

Text: Elisabeth Egli

Brexit-Pop: Matt Maltese (UK)

Schon allein für die Genre-Erfindung möchte man sich vor Matt Maltese verbeugen und ihm ein wenig die Schuhe polieren: «Brexit Pop» nennt er seinen Sound, der ungefähr alle möglichen Themen zwischen Liebschaften und Politik abdeckt. Die Musik tröpfelt, fast ein wenig wie ein schmelzendes Glacé in der Badi, und erst wippt der Kopf, und dann alles. Aber Maltese kann auch verzerrte Gitarren-Riffs und Piano-Balladen; und das mit einer Stimme, die zwar nicht ganz für einen ultimativen King-Krule-Schock-Moment sorgt, aber man sich dennoch ein zweites Mal versichert, ob sie wirklich zum sympathischen Anfang-Zwanziger gehört. In seinen Texten verpackt er Herzschmerz und Alltag, Ängste und Zweifel; und das ist ihm sehr wichtig: Immerhin stehen bei ihm laut Eigenaussage Lyrics vor Musik. Und wer weiss, vielleicht nutzt er die MFW-Bühne für ein Maltesisches Spektakel in rosarotem Anzug. Zum Träumen: «Like A Fish».

Donnerstag, 8.8., 20:30 bis 21:45 Uhr, Kirchplatz

Text: Hanna Widmer

Eine Sandburg aus Plastikformen: Mavi Phoenix (AT)

Mavi Phoenix klingt, als sei sie frisch der amerikanischen Westküste entsprungen: zuckersüsser Pop und eine Prise Hiphop, angereichert mit Leichtigkeit und guter Laune. Doch weit gefehlt: Die junge Dame mit syrischen Wurzeln kommt aus dem österreichischen Linz und fusioniert im Self-Made-Verfahren und mit einer guten Portion Eigenwilligkeit den Sound ihrer musikalischeren Vorbilder zu einer Collage aus tanzbarem Rap-Pop-R&B. Und lässt sich dabei nicht von Kritikerinnen und Kritikern beeinflussen, die über die digitalen Effekte auf ihrer Stimme monieren und mit bösen Zungen fragen, ob sie denn überhaupt singen könne. Zugegeben: Zwischendurch mag es etwas gar viel Plastik sein. Aber es ist Sommer, und die besten Sandburgen werden noch immer aus Plastikformen gebaut. Zum Caipirinha: «Bites».

Donnerstag, 9.8. von 20 bis 21 Uhr, Steinberggasse

Text: Hanna Widmer

Conscious Rap mit Erdnussbutter-Poesie: Ghostpoet (GB)

Es braucht grosses poetisches Talent, um über die wirklich wichtigen Fragen im Leben zu philosophieren und dabei nicht kitschig zu klingen. Ghostpoet lässt es ganz einfach wirken. Mal sensibel, mal selbstironisch, immer treffend. Erdnussbutterbrot mit Melancholie-Konfitüre? Oder dunkle Tage und Kanapées? Auf Alben mit solch klingenden Namen packt Obaro Ejimiwe, wie der Londoner mit bürgerlichem Namen heisst, die alltäglichen Nöte und das grosse Elend persönlicher und politischer Natur. Conscious Rap, irgendwie mit Trip-Hop-Einflüssen, irgendwie mit einem Hauch von Radiohead und Massive Attack – aber irgendwie auch ganz anders. Hört selbst!

 

Donnerstag, 09.08.2018, 21:30 bis 22:45 Uhr, Steinberggasse

 

Text: Olivia Staub

A Call to Adventure: Rootwords (CH)

 

Ernster, dunkler, aggressiver Rap aus der Schweiz, das ist irgendwie so eine Sache. Unsere Sprache hat viele schöne Eigenheiten, aber mit ihren schrulligen Wendungen und Verniedlichungen löst sie nun schon nicht grad das grosse Zittern aus. Rootwords kennt dieses Problem nicht: Seine Muttersprache ist Englisch und kann es sich deshalb leisten, auch mal etwas böse zu klingen. Rootwords tischt in jeder Hinsicht keinen CH-Rap auf: Er selbst nennt sich «citizen of the world», lebt in Genf, hat Wurzeln in Sambia und den USA. Die Wirzeln hört jede und jeder heraus. Dabei ist Rootwords sehr facettenreich: Gesampelte Beats mit OldSchool-vibe folgen auf minimalistische, Pusha-T-haft grobe Tonspuren. Und so begibt er sich, von allen sprachlichen Fesseln befreit, mit seiner Musik gerne auf Konfrontationskurs. Mal sind seine Lyrics aggressiv und sozialkritisch, mal ernst und einfühlsam, aber eins ist sicher: Abwarten und um den heissen Brei herumreden, das ist nicht Rootwords Ding.

 

Donnerstag, 9.8. um 23 Uhr, Albani

Text: Micha Niederhäuser

Mit einer Prise Ironie: Mama Jefferson (Winti)

Es gibt sie noch: Die Ausnahmetalente, die sich dem Mainstream versperren. «Mama Jefferson» sind laut, manchmal rau, zugleich aber bittersüss und erfrischend direkt. Die Trash-Rock-Formation hat die Schnauze voll von gesellschaftlichen Normen und ruft dazu auf, zu leben und lieben, ohne darüber nachzudenken, dass man verletzt werden könnte. Die erste EP trägt den Titel «Best of» – passend zu ihrer Attitüde, alles mit einer Prise Ironie zu versehen. Vanja Vukelic, die Frontfrau und Bassistin, hat ürbigens schon bei den Indie-Rockern «Neckless» gespielt und Mattia Ferrari konnte sein Talent schon am Schlagzeug von «James Gold» beweisen. Anspieltipp: «Liquor Liquor» und «Lie».

Freitag, 10.08.2018, 22:55 bis 23:55 Uhr, Steinberggasse

Text: Sandra Biberstein

Durchdacht: Nilüfer Yanya (UK)

Da mag noch einer behaupten, die jungen Leute von heute wüssten nicht mehr, wie man auf echten Instrumenten spiele. Nilüfer Yanya macht genau dies; und als ob das nicht genug wäre, hat sie da noch diese kratzige, tiefe, non-chalante Stimme, die sie so unglaublich erwachsen und reif klingen lässt. Im Elternhaus wurde allerlei Musik gespielt (die Eltern sind Kunstschaffender mit irischem und türkischem Hintergrund), nur kein Pop. Also hörte Nilüfer Yanya zum Beispiel Nina Simone und Amy Winehouse, und irgendwann Indie Rock von den Strokes und den Libertines. Ihre Songs sind weder überproduziert noch akribisch durchkomponiert, sondern haben stets etwas Rohes an sich; und doch tut die Musikerin nicht einfach irgendwas, sondern denkt die Sachen genau durch, wenn sie sie gekonnt mit Soul anreichert, mit jazzigen Gitarrenriffen oder mit funky Saxophon-Lines, mit R&B und Trip-Hop. Zum Staunen: «Keep On Calling».

 

Samstag, 11.8. von 19:45 bis 20:30 Uhr, Steinberggasse

Text: Hanna Widmer

Melancholie des Nordes mit Synthesizern: Klangstof (NL)

Als Klangstofs Mastermind Koen Van de Wardt mit seiner Familie aus Holland in die Pampa Norwegens auswanderte, fand er sich erstmals in grosser Einsamkeit wieder. Ein Glück für die Musik! Denn durch soziale Isolation begann Van de Wardt fast schon besessen mit dem Schreiben von Songs. Auf «Close Eyes to Exit», dem Debutalbum von Klangstoff, vereint sich die Melancholie des Nordens, die wirkt, als klebe sie auf den Gitarrensaiten, mit einer soliden Portion Synthesizer. Die Songs zeigen sich trotz einigen klaren Wiedererkennungsmerkmalen vielseitig: Da sind solche, denen etwas Episches anhaftet, aber stets noch rechtzeitig vor dem Pathos scharf abbremsen; und solche, die durch die Upbeat-Synth-Klänge etwas schon fast Tanzbares in sich tragen. Nachgedoppelt wird auf der Folge-EP «Everest»: Im Kofferraum auf der US-Tour geschrieben, tummelt sich noch mehr Synthi in den vier Tracks, einfach etwas ungeordneter, stürmischer, weniger geradlinig. Zum Zurücklehnen: «Sleaze».

Samstag, 11.8. von 21:15 bis 22:15 Uhr, Steinberggasse

Text: Hanna Widmer

Mutig und unerschrocken: Altin Gün (NL, TR)

Ein Glück, dass Altin Güns Bassist Jasper Verhulst den Siebzigern verfallen ist. Genauer gesagt: dem musikalischen Erbe der Türkei der Siebzigerjahre, das talentierte Eisbrecher wie Baris Manço oder Erkin Koray in ihrer Experimentierfreudigkeit kreiert und der Welt hinterlassen haben. Mutig und unerschrocken fusionierten sie traditionelle türkische Volksmusik mit zeitgenössischen Influenzen und produzierten für die damalige Zeit fast schon bewusstseinsändernde Tunes. Altin Gün sehen sich eine halbe Dekade später ebenfalls als Türöffner zwischen zwei (musikalischen) Welten. Auch wenn man inmitten der eklektischen Mischung aus Bass, Drums, Orgel, Gesang und natürlich der Saz immer wieder Spuren des grossen Folkmusikers Neşet Ertaş heraushört, in dessen grossen Fussstapfen sie unnegierbar weiterwandeln, bleibt bei Altin Gün noch genug Spielraum, um eigene Stilelemente einzubauen. Zum Abgehen: «Çiçekler Ekiliyor».

Sonntag, 12.8. von 19 bis 20 Uhr, Steinberggasse

Text: Hanna Widmer

Die Coolness in Person: Curtis Harding (USA)

 

«The Guardian» betitelte Curtis Harding zusammen mit Leon Brigdes einst als die neuen Stars des klassischen Souls. Curtis bietet aber mehr: Blues und Rock prägen seine Musik genauso wie die Einflüsse seiner Mutter, einer amerikanischen Gospel-Sängerin. Nach seinem Debütalbum «Soul Power» von 2014 legte er im letzten Jahr mit «Face Your Fear» einen drauf. Das zweite Album ist genauso durchmischt und grossartig wie sein Vorgänger. Die rockigen Songs lassen kein Bein stehen und schwerer, dunkler Retro-Soul lädt zum träumen und davonschweben ein. Erwarten dürfen wir an den Musikfestwochen aber auch funkige Gitarrenriffs und eine Kopfstimme à la CeeLo Green.

 

Sonntag, 12.08.2018, 20:30 bis 21:45 Uhr, Steinberggasse

Text: Marcel Rubin

  

Lieder aus einem bewegten Leben: Big Thief (USA)

Adrianne Lenker, Sängerin und Gitarristin von Big Thief, hat eine ganz eigene Art, Songs zu schreiben: Nicht nur verwebt sie ihr wunderbares Songwriting mit einzigartigen Geschichten, sie kümmert sich auch wenig um irgendwelche Genres. Nach ihrem ersten Album mit dem symbolischen Titel «Masterpiece» taucht die Amerikanerin zusammen mit ihren Mitmusikern in emotionale Tiefen ein. «Capacity» ist ein Album voller überwältigend intimer, autobiographischer und mythologischen Geschichten. Big Thief führen dabei auch mal auf unbehagliche Pfade: Und gerade darin liegt die Stärke des Albums. Oder wie es die Sängerin selbst beschreibt: «There is a darker darkness and a lighter lightness on this album.» Nebst all diesen Qualitäten sind Big Thief auch eine unglaublich gute Live-Band: Ihr könnt euch also auf eine Band mit Authentischer Spielfreude freuen!

 

Montag, 13.08. 18:30 bis 19:30 Uhr, Steinberggasse

 

Text: Sandra Biberstein

 

Immer wahr: Gisbert zu Knyphausen (D)

Welch fürstlicher Name der Herr doch trägt: Gisbert Wilhelm Enno Freiherr zu Innhausen und Knyphausen heisst der Wiesbadner Liedermacher mit vollen Name. Und es tut der Grandesse von (zu) Knyphausen auch keinen Abbruch, wenn die Wortwahl ganz und gar nicht fürstlich ist: «Fick dich ins Knie, Melancholie, du kriegst mich nicht klein», hiess es da im «Melancholie»-Song von seinem «Hurra! Hurra! So nicht.»-Album. Zu Knyphausen ist keiner, der Pauken und Trompeten braucht, um auf sich aufmerksam zu machen. Vielmehr entzieht er sich jeglicher musikalischen Opulenz und setzt auf simple Gitarrenklänge, die allenfalls mal angereichert sind mit etwas Band. Es sind denn seine Texte, die in den Bann ziehen, die klug sind und lustig, manchmal traurig und immer wahr. Dabei spielt (zu) Knyphausen aber nicht den guten Onkel oder gar den Moralapostel mit erhobenen Zeigefinger, sondern ist dabei einfach so… knyphausig. Zum Biertrinken und Kopfnicken: «Es ist still auf dem Rastplatz Krachgarten».

Montag, 13.8., 20:15 bis 21:45 Uhr, Steinberggasse

Text: Hanna Widmer

Und gar etwas Disco: Imarhan (AL)

Inmitten der Desert-Blues-Welle, die seit einigen Jahrzehnten vor allem dank Tinariwen immer wieder über Europa und den Rest der Welt schwappt, kristallisierte sich aus all dem Talent eine Band heraus: Imarhan. Während sie auf ihrem gleichnamigen Debütalbum noch vermehrt traditionelle Elemente einbauten, wagte die algerische Band Imarhan mit ihrem zweiten Album «Temet» einen Sprung in die anderen Stilrichtungen der grossen, weiten Welt. Denn da ist auch Jazz, und Funk. Und gar etwas Disco. Eklektischer ist das Album, aber doch nicht in Überdosis. Sie bleiben bei ihren Wurzeln und wachsen weiter und manchmal auch über sich heraus, während sie ihre Authentizität bewahren; und sie pochen auf ihre Botschaft, in der gegenseitige Anerkennung und Verständnis gross geschrieben wird. Wem solche Botschaften etwas allzu klischeebeladen vorkommen mögen, der konzentriert sich auf solide Riffs und Überraschungsmomente, denn davon gibt es genug. Für die Hüften: «Alwa».

Dienstag, 14.8. um 20:15 bis 21:45, Steinberggasse

Text: Hanna Widmer

Elektrisierende Spielerei: Tshegue (F, COD)

  

Als Stadt der Musik beschreibt Faty Sy Savanent die Stadt, in der sie aufgewachsenen ist. Jede und jeder in Kinshasa mache Musik. «Sogar die Sprache Lingala ist melodisch und groovig. Das beseelt mich, das belebt mich, das ist ein Teil von mir», sagte sie kürzlich in einem Interview. Dass Musik sinnbildlich durch ihre Adern fliesst, hört man der ersten EP mit dem Titel «Survivor» auch an. Aber wer nun glaubt, die Einflüsse der im Kongo aufgewachsenen Musikerin stammen hauptsächlich von den für den Kongo typischen Ndombolo- und Kotazo-Rhythmen, täuscht gewaltig. Faty Sy Savanent hat die Rockmusik und den Hip-Hop genau so für sich entdeckt, als sie Anfang der 1990er-Jahre nach Frankreich zog. Und nun spielt sie mit diesen Genre-Mix: Zusammen mit Nicolas Dacunha schafft die Musikerin unter dem Namen Tshegue einen elektrisierenden Sound, der sich zwischen Afropunk, Tribal und Garage-Rock bewegt. Inhaltlich umschreibt sie die Geschichte einer Entwurzelten, eine Geschichte, die weder schwarz, noch weiss ist, sondern plötzlich alles möglich macht, und Körper und Seele berührt.

 

Mittwoch, 15.08.2018, 18:30 bis 19:30 Uhr, Steinberggasse


Text: Sandra Biberstein

 

 

«Das Beste ist noch nicht vorbei»: Fiva x JRBB (D)

«Sagt eure Termine ab, schaltet euer Handy aus, ab auf's Rad und in die Stadt. Kopf in den Fahrtwind...», singt die wunderbare Fiva schon seit vier Jahren, wenn ich jeweils von der Schützi in die Steibi düse. Fiva kann mit Sprache und Worten, schreibt Texte, freestylt und findet immer einen Weg, etwas eigenes zu machen. Ebenfalls kein wirklicher Geheimtipp, denn 2016 stand die Dame bereits mit dem Phantom Orchester auf der Steibi-Bühne. Jetzt ist ihre Begleitung grösser geworden, ist sie doch mit der 20-köpfigen Jazzrausch Bigband (JRBB) unterwegs. Unterlegt von einer Mischung aus Hiphop, Jazz und Soul macht sie uns Mut, die Dinge lieber falsch zu machen, anstatt gar nichts zu tun, einander zu vertrauen, aber auch die unangenehmen Gefühle nicht zu ignorieren. «Das Beste ist noch nicht vorbei», singt sie und hat recht damit, denn die MFW kommen ja erst! 

  

Mittwoch, 15.08.2018, 20:15 bis 21:45 Uhr, Steinberggasse

Text: Livia Kozma

 

Auf dem Weg zu Weltruhm: Annie Taylor

  

Annie Taylor setzen alles auf eine Karte. Ihr Song «Teach Me Rock 'n Roll» ist eine grossartige Liebeserklärung – aber nicht an irgendeine Person, sondern an die Musik an sich. Denn für die Band um Gitarristin und Sängerin Gini Jungi gibt es nichts anderes als psychedelischen Rock. Mit ihrem eingängigen Gitarrensound und der eindringlichen Stimme von Gini zogen sie bereits das Publikum am «One Of A Million»-Festival in Baden in ihren Bann. Nun kommen sie nach Winti – und wer weiss, vielleicht erlangt die Zürcher Band kurz darauf über Nacht Weltruhm. Die Sterne dafür stehen durchaus gut – die Band hat Talent und der Name macht den Rest. Denn Annie Taylor war einst eine der mutigsten Frauen der Welt. Die Stuntfrau und Lehrerin aus New York stürzte sich 1901 im Alter von 63 Jahren in einem Fass die Niagara-Fälle hinunter – und überlebte. Bleibt nur zu hoffen, dass der Weg zum Ruhm für die Band Annie Taylor weniger dramatisch wird.

 

Donnerstag, 16.08.2018, 18:30 bis 19:15 Uhr, Steinberggasse

Text: Sandra Biberstein

 

Mit Witz und Poesie: Buntspecht (AT)

La Pompe hält ja schon seit längerem wieder Einzug in die verrauchten Lokale des Kontinents. Überall spriessen die musikalischen Erben Reinhardts und Grapellis aus dem Boden. Die Wiener Band Buntspecht mischt zum Gypsy (Swing) gleich noch ein paar Genres hinzu: Klezmer gibts da auch, dazu etwas Folk und Bossa Nova. Als Sahnehäubchen obendrauf: Die Stimme von Sänger (und Gitarrist) Lukas Klein. Die klingt nämlich, als habe er gerade auf Demonstrationen eine bessere Welt herbeigeschrien. Und was er singt! Von Briefbomben und Brennnesseln ist die Rede, von der Unendlichkeit und dem Warten. Und all das mit Witz und Poesie. So bunt wie ihre Musik ist auch die Zusammensetzung der Band: Eine grosse Portion an Zufall und Schicksal hat die sechs Musiker an die Donau geschwemmt, von wo aus sie seither mit ihrer Gross-Kombo die Bühnen Europas bespielen. Ihr simples Ziel: Musik machen. Und dabei ja nicht reich werden, denn das gehört sich einfach nicht. Zu den Tanzbeinen: «Unendlichkeit».

Donnerstag, 16.8. von 20:30 bis 21:45 Uhr, Kirchplatz

Text: Hanna Widmer

When The Sun Is Set Behind The Fears: Kadavar (D)

 

Wer wehende Haare mag und dabei auch mal Nackenschmerzen in Kauf nimmt, der sollte die Show von Kadavar keinesfalls verpassen. Die Mischung aus Psychedelic, Stoner und Proto ist live nämlich ziemlich umwerfend. Die Band hat das schon in ganz Europa unter Beweis gestellt, allerdings aufgrund Visa-Regelungen bisher nur einziges Konzert in den Staaten gespielt. Item, die Herren wissen, wie eine Live-Show funktioniert. Da treiben deine Gedanken davon und die Schwingungen bringen dich fast schon automatisch in Bewegung. Authentizität ist den Jungs dabei sehr wichtig, denn auch ihre Studioaufnahmen sollen jeweils so klingen wie ihre Konzerte, das heisst: Die Tonspuren werden auf den Aufnahmen so verteilt, dass du das Gefühl hast, die Band sei fast schon bei dir zu Hause. Also Gitarre auf dem linken Kanal, Bass auf dem rechten, Schlagzeug auf dem halbrechten und Gesang in der Mitte. Zu kompliziert: Gut, dass du dir das Ganze jetzt in der Steinberggasse anschauen kannst.

 

Donnerstag, 16.08.2018, 21:30 bis 22:45 Uhr, Steinberggasse

 

Text: Livia Kozma

 

 

 

Eine rasende, sich selber formulierende Frage: Käptn Peng und die Tentakel von Delphi (D)

 

Käptn Peng hat uns belogen: Das Leben ist kein Kreis. Aber was denn sonst, oh Käptn mein Käptn? «Ein Monster, ein Rätsel, ein expandierendes Minus, aus Form, Raum, Bewusstsein, Wandel, Liebe und Zorn – das Leben ist kein Kreis, denn es hat keine Form.» Aha. Wer das jetzt nur so halb verstanden hat, der sollte die Herren mal live bewundern. Ob du danach aber mehr weisst oder noch weniger – das sei hier mal dahin gestellt. Ein Geheimtipp sind Käptn Peng und die Tentakel von Delphi schon längst nicht mehr und auch an den Musikfestwochen durften wir sie bereits vor vier Jahren bestaunen. Doch in der Zwischenzeit ist viel passiert. Zum Beispiel wurde da letztes Jahr «das nullte Kapitel» veröffentlicht. Auf dem Album dürfen wir ein weiteres Mal den Wortakrobaten und ihren Gedankengängen folgen, treffen auf Meister und Idioten, setzen unser Selbstbild auseinander und unsere Hoffnung neu zusammen, leeren unseren Kopf und füllen unser Herz. Das ganze ist keine leichte Kost, aber für das Essen ist ja auch die Schlemmerei zuständig. Oder in den Worten des Käptn: «Erst wenn der letzte Beat gedroppt, die letzte Hook gebitet und die letzte Line gepuncht ist, werdet ihr feststellen, dass man Rap nicht essen kann.»

  

Freitag, 17.08.2018, 19:30 bis 20:10 Uhr, Steinberggasse

  

Text: Livia Kozma

 

 

Folk für jedes Volk: Karacan Kombo (CH, TUR)

Seinen Charme nimmt ihm keiner Weg: Gürkan Karacan, Sänger und Instrumentalist aus Istanbul, zuhause in der Schweiz, könnte die Bühne auch gut allein mit seiner Präsenz ausfüllen. Stattdessen schart er eine bunte Mischung aus mehr oder weniger lokalen Musikern um sich und reichert seine traditionellen türkischen Chansons gekonnt mit Akkordeon, Saxophon, Kontrabass, Oud und Perkussion an. Entgegen dem Trend der letzten Jahre, den Folk-Purismus mit Elektro-Beats zu durchbrechen, trägt die Karacan Kombo die nötige Stimmung auf akustischen Instrumenten ins Publikum. Grenzen werden musikalisch überschritten; und so trifft der Osten auf den Westen, auch wenn in erster Linie anatolisches Liedgut von damals und heute interpretiert wird. Zum Schwelgen: «Sultan Süleyman».

Freitag, 17.8. von 20:15 bis 21:45, Roulotte im Graben

Text: Hanna Widmer

          

Komm(t) zu mir, wo ich wohne ist bekannt: Tocotronic (D)

 

Unendliche Freude herrscht, seit ich weiss, dass alles, was ich immer wollte, wahr wird: Tocotronic! Auf der Steinberggasse! Sag alles ab, denn was sein muss, das muss schliesslich sein! Und wer die Band nicht kennen sollte, der kommt am besten einfach auch vorbei. Wäre das neue Album mit dem Titel «Die Unendlichkeit» eine Bibliothek, dann eine voller Eindrücke einer umfassenden Autorenschaft, welche die Ausdruckskraft von Tocotronic über die Jahre hinweg gesprägt hat. Da sind Bauhaus, Morrissey und Guz (Aeronauten), da sind Spiritualized, Pink Floyd oder Sophie... Ein Album als Auseinandersetzung mit unserer Vorstellung von Zeit und (Michael Ende lässt grüssen) mit der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Und wir mögen die Stimmung in dieser Bibliothek, auch wenn da teilweise echt peinliche Bücher rumstehen. «Kitsch» schreien die einen – «Liebe!», sagen wir. Liebe für die unvollkommene Menschheit, in Form einer Akzeptanz all der Widersprüche, die durch eine Vermischung von Sehnsucht und Abneigung entstehen. Weil man zwar Dinge nicht aushalten kann, und gleichzeitig Angst hat vor Veränderung, und dann halt trotzdem lieber bleibt, als zu gehen. Wir können bleiben und gehen, denn Tocotronic kommen zu uns, also los , ihr Freaks, bis bald!

 

Freitag, 17.08.2018, 20:40 bis 21:50 Uhr, Steinberggasse

  

Text: Livia Kozma

 

Elektropop mit Ecken und Kanten: Ider (UK)

Leben und Musik machen gehen bei Ider Hand in Hand: An seinen Songs tüftelt das britische Duo nämlich in der gemeinsamen Wohnung. Die dabei entstehenden Tracks katapultieren die beiden seit 2016 in verlässlicher Regelmässigkeit in die Öffentlichkeit. Der Sound mäandriert unhaltbar zwischen Genres – so etwas wie eine Verweildauer in einem bestimmten Stil gibt es da kaum. Melodischer Elektropop mit etwas dunklem Einschlag und einigen Ecken und Kanten – so könnte man die Musik vielleicht beschreiben, aber eigentlich kennen Megan Markwick und Lily Somervile Schubladen nicht. Und so findet man sich beim Hören ihrer Musik irgendwo in der Schnittmenge zwischen den Upbeat Synth-Pop von Years & Years, dem Sollbruchstellen-Synth-Rock von Son Lux, den scheinbar mühelosen Harmonien von First Aid Kit/Lily & Madeleine und der Garantie, dass die nächste Sekunde ein Überraschungsmoment sein wird. Zum Nachtisch: «Nevermind».

Sonntag, 19.8. von 16:45 bis 17:30 Uhr, Steinberggasse

Text: Hanna Widmer

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