Coucou-MFW-Geheimtipps 2017

Die Winterthurer Musikfestwochen sind mit ihrem Programm 2017 nicht nur am Puls der Zeit, sondern bringen damit einmal mehr das Herz der Stadt, die Altstadt, zum pulsieren. Die Coucou-Redaktion hat sich durchs Programm gehört und präsentiert euch hier ihre MFW-Geheimtipps.

 

Er liebt die Provokation: Fai Baba

 Fabian Sigmund ist einer, der gerne aneckt. Gerade deshalb gehört er zu den aufregendsten Musikern der Schweiz. Als Fai Baba singt und spielt er, was er fühlt. Da ist nichts einstudiert, wenn er mit geschlossenen Augen im Takt der Musik mitwippt oder im Zusammenspiel mit seiner Band in Ekstase gerät. Und wenn doch, dann macht er das mit so viel Charme, Selbstbewusstsein und Authentizität, dass man es ihm durchgehen lassen würde. Unverkennbar mischt sich Talent, Leidenschaft und Neugierde mit intelligentem Songwriting und subtiler Ironie. Fai Baba klingt retro und zugleich modern. Das musikalische Spektrum kennt dabei keine Grenzen: Von rockig-rauem Blues und amerikanischem Psychedelic Rock der 1960er- und 1970er-Jahre bis hin zu R ’n’ B oder Garage-Rock. Der talentierteMusiker lässt das Publikum tief in seine Gedankenwelt eintauchen und schreckt nicht davor zurück, ehrlich zu sein: Er offenbart seine soulige, laute und wilde Seite voller Leidenschaft, Lust und Herzschmerz. Das muss man zuerst mal machen.

 

Fai Baba, Mittwoch, 9. August 18:30 Uhr, Bühne Steinberggasse


The Kinks der Gegenwart: Allah-Las

Hört man die Allah-Las spielen, kommt sofort Ferienstimmung auf. Die Haare im Wind, mit Freunden unterwegs auf den Strassen in irgendeinem heissen Land, so klingen die Lieder der L.A. Jungs. Sie sind «The Kinks» der Gegenwart. Lockerflockig wummert der Sound aus den Boxen. Mit eingängigen Gitarrengriffe, dem Bass, der der Musik eine gewisse Fülle verleiht und den Rhythmusinstrumenten kreieren sie eine Wohlfühlatmosphäre sondergleichen. Bald ist es 10 Jahre her, dass sich die vier Jungs aus Amerika zu einer Band zusammenschlossen. Drei Alben haben sie seither auf den Markt gebracht. Wir freuen uns bereits auf ihren unschlagbaren Garagenrock und die mehrstimmigen Gesänge.

Allah-Las, Mittwoch, 9. August 2017, 20:15 Uhr auf der Bühne Steinberggasse


Laut, frech und neu: S.O.S 

Pssst, das ist ein eher lauter Geheimtipp: S.O.S. die Berner Rap-Crew mit ihrer dreckigen aber ehrlichen Musik sind laut, frech und neu. Gnadenlos lassen die Saviours of Souls die Gesellschaft und die Welt wissen, was an ihnen verkehrt ist. Ihre Musik hat in der Schweiz Wellen geschlagen und auf dieser reiten die Berner nun dem grossen Erfolg entgegen. «Das isch d Musig für d Lüüt. Mir repräsentiere aui und aues. S.O.S die nöi Ära. Das isch din Bro und din Sis, dini Mama und din Papa. S.O.S. Säg was wei si etzt machä. Am Schluss sind mir aui S.O.S», singt die Crew in ihrem Track «Candomblé». S.O.S gehört in keine Rap-Schublade, Mid-Tempobeats oder auch Trap begleiten die intelligenten Rap-Lines. Am Mikrofon sind sie elektrisierend und voller Energie, lasst euch von S.O.S mitreissen.

 

S.O.S., Donnerstag, 10. August 2017, 18:30 Uhr auf der Bühne Steinberggasse

Kluge Worte statt Kitsch: Die Höchste Eisenbahn

Ganz ohne leere Worthülsen und erfrischend unschnulzig nehmen sich «Die höchste Eisenbahn» existentiellen Themen des Mensch-Seins an. Verpasste Chancen, eingebrochene Luftschlösser, jugendliche Rastlosigkeit und natürlich die Suche nach der Liebe – die Berliner erzählen direkt aus dem Leben und das ehrlich, authentisch und lyrisch ansprechend. Die Stimmen der beiden Sänger Francesco Wilking (Tele) und Moritz Krämer werden dabei musikalisch von Schlagzeuger Max Schröder (Der Hund Marie) und Bassist Felix Weigt (Kid Kopphausen) getragen. Das klingt mal blumig und sanftmütig, mal legt die Band mit euphorischen Beats und schnellen Rhythmen an Drive zu. So muss Deutsch-Pop sein! Anspieltipp: «Stern»

Die Höchste Eisenbahn, Donnerstag, 10. August 2017 um 20:30 Uhr auf der Bühne Kirchplatz

Hip-Hop mit Sinn und Verstand: Oddisee & Good Compny (US)

Wer mit Rap-Legenden wie The Roots unterwegs war, bringt so einiges an Talent mit. Amir Mohamed el Khalifa, der unter dem Namen Oddisee auftritt, ist denn auch ein ganz besonderer Geheimtipp. Der amerikanische-sudanesische Rapper mischt Gospel, Jazz und den rauen Hip-Hop aus den Strassen seiner Heimatstadt Washington DC und schmiedet daraus seinen ganz eigenen Sound mit Ecken, Kanten und vor allem Haltung. So auch auf dem neuen Album «The Iceberg». Mit Trompete und smoothen Fingerschnippsen eröffnet der Rappers sein achtes Studioalbum – und experimentiert dann gewohnt soulful und poetisch mit verschiedenen Klangelementen, die genüg Raum lassen für seine Lyrics. «The Iceberg» ist ein Album, das Missstände thematisiert, Rassismus, Sexismus und Chancendiskrepanz anspricht – Hiphop eben mit Sinn und Verstand. Grandios!

 

Oddisee & Good Compny (US), Donnerstag, 10. August 21:30 Uhr, Bühne Steinberggasse

Nostalgischer Synthie-Pop: Crimer

Bereits unzählige Konzerte im In- und Ausland hat junge Ostschweizer Musiker namens Crimer gespielt, nun zeigt er während knappe 15 Minuten, was er alles kann. Auf der Startrampe, die kleine Bühne auf dem Brunnen, gewährt eruns eine exklusive Hörprobe seines Könnens. Crimers Klänge nehmen einen mit auf eine Reise in vergangene Zeiten. Mit Boyband-Mittelscheitel und Synthie-Pop greift er visuell und musikalisch die Ästhetik der 80er-Jahre auf und lässt sie in einem modernen Kontext neu aufleben. Eine synthetisch-sinnliche Stimme, die das Herz jeder Nostalgikerin höher schlagen lässt.

Crimer, Samstag, 12. August 2017 um 20:30 Uhr auf der Startrampe

(Nicht mehr mega geheimer) Geheimtipp: Tash Sultana

Innerhalb von nur fünf Tagen wurde ihr DIY-Track «Jungle» auf Youtube eine Million Mal angeklickt – es war der Startschuss für die Karriere der erst 22-jährigen Multiinstrumentalistin Tash Sultana. Nach einer beinahe ausverkauften Tour im Heimatland ist die Australierin nun erstmals zu Gast an den Winterthurer Musikfestwochen. Sie bringt ihre Loopstation mit, der sie irgendwo zwischen sphärischem Trip Hop, mitreissenden Reggae-Beats und samtenem Blues Klangteppiche zu entlocken vermag, auf denen man sich der Liebe hingeben möchte. Abgerundet wird die One-Woman-Wondershow mit tiefgründigen Songtexten, exzessiven Gitarrensolos, und einer Stimme mit hohem Wiedererkennungswert. Kein Wunder, schwappt der Hype um Tash Sultana mittlerweile auch in unsere Breitengrade über.

 

Tash Sultana, Sonntag, 13. August 2017 um 17:15 Uhr  auf der Bühne Steinberggasse

 



Ein Gespräch über Grenzen: Ezra Collective

Am Sonntagabend um 20:30 Uhr wird auf dem Kirchplatz zu einem musikalischen Gespräch eingeladen. Ein Gespräch über Grenzen, über die Ränder, deren Linien nur vermeintlich mit starkem Stift gezogen wurden. Ezra Collective aus Grossbritannien nehmen den Jazz, den wir alle als so klar erkennbar zu kennen meinen, und werfen ihn in die Farbtöpfe anderer Genres. Da kommen Reggae, Hiphop, Afrobeat zum Vorschein. Puristen mögen die Nase rümpfen: Was hat das noch mit Jazz zu tun? Es IST Jazz: Seine Wandelbarkeit, seine Vielfältigkeit, seine Geschichte. Horizonterweiterung ist an diesem Abend garantiert. 

 

Ezra Collective, Sonntag, 13. August, 20:30 Uhr auf der Bühne Kirchplatz

 

Der Dreampop-Monarch: Wassily

Ein wenig verloren sieht er aus, der junge, schlacksige Mann mit der dicken Hornbrille und den zerzausten Haaren, wie er da so ganz alleine an den Decks steht. Aber verloren ist Basil Kehl aka Wassily aka «der Königliche» wahrlich nicht: Kaum sind die ersten Töne aus den Lautsprechern in die Ohren gewabert, fühlt man sich in andere Sphären gleiten. Plötzlich umgibt en St. Galler eine unglaubliche Bühnenpräsent und mühelos reisst er das Publikum mit ins elektronische Nirwana – dass der junge Mann ein begnadeter Musiker ist, hat er unter anderem schon am Openair St. Gallen bewiesen. «Don’t judge a book by its cover» – Dieser Satz gilt eben auch für den Electronic Dreampop-Monarchen Wassily.

Wassily (CH),Montag, 14. August 2017 um 19:30 Uhr auf der Startrampe

 

 

Europas Brücke zur Welt: Clap! Clap!

Hier schmettert Orient auf Okzident. Und zwar nicht nur ein bisschen, sondern ziemlich heftig. Clap! Clap! verbindet fette Beats und unbekannte, ethnische Klänge in jazzig-poppigen Gesamtwerken. Der Italiener Crstiano Crisci kommt vom Jazz her, war auch als DJ unterwegs und schiffte dann 2010 zu den elektronischen Klängen. Anfang des Jahres erschien das Album «A Thousand Skies», das afrikanische Stammes-Gesänge und Instrumente mit westlichen Bässen verbindet. Das kann unglaublich gut gefallen oder gar nicht. Und so ist es nicht weiter erstaunlich, dass ich nicht von jedem Song unglaublich angetan bin. Bei anderen aber würde ich am liebsten den Ghettoblaster voll aufdrehen und in den Sand stampfen. Anspieltipp: «Oriens. Oriri».

Clap! Clap! Dienstag, 15. August 2017, 20:15 Uhr auf der Bühne Steinberggasse

Mit einer Prise Ironie: Mama Jefferson

 Es gibt sie noch: Die Ausnahmetalente, die sich dem Mainstream versperren. «Mama Jefferson» sind laut, manchmal rau, zugleich aber bittersüss und erfrischend direkt. Die Trash-Rock-Formation hat die Schnauze voll von gesellschaftlichen Normen und ruft dazu auf, zu leben und lieben, ohne darüber nachzudenken, dass man verletzt werden könnte. Die erste EP trägt den Titel «Best of» – passend zu ihrer Attitüde, alles mit einer Prise Ironie zu versehen. Zwei Mitglieder von Mama Jefferson kommen übrigens aus Winti: Vanja Vukelic, die Frontfrau und Bassistin, spielt bei den Indie-Rockern «Neckless» und Mattia Ferrari konnte sein Talent schon am Schlagzeug von «James Gold» beweisen. Anspieltipp: «Liquor Liquor» und «Lie».

Mama Jefferson, Donnerstag, 17. August 19:30 Uhr, Startrampe

Ein schillernder Charakter: Voodo Jürgens

Wer zum ersten mal Voodoo Jürgens hört, muss oft zweimal hinhören, um zu begreifen, über was der Österreicher singt. In der normalen Hitparade ist seine Musik eher nicht zu Hause. Sein alt-wienerischer Dialekt fällt sofort auf und macht seine Songs dadurch einzigartig. Schrill, etwas schräg, ein wenig schmuddelig, aber liebevoll und fesselnd. Als käme er von einem Fest nach dem Fall der Berliner Mauer. Zumindest kleidet er sich gerne so. Sein Debütalbum «Ansa Woar» schaffte es 2016 auf Platz 1 der österreichischen Charts. Für seinen schwarzen Humor und seine Verruchtheit ist er bekannt. «I bi a gscheida Bua» und «Heite grab ma Tote aus» sind Ausdrücke, die in seinen Liedern zu hören sind. Dass er keiner Kategorie entspricht, ist das, was ihn gerade so interessant macht. Denn trotz seiner speziellen Art gibt er in seiner Musik viel von seiner Persönlichkeit preis. Ein schillernder Charakter. Vor allem dann, wenn er singt. 

Voodoo Jürgens, Mittwoch, 16. August, 20:30 Uhr, Bühne Kirchplatz

Gemütlichkeit vermischt mit Intellekt: Baze

«Wahre» Musiker beschreiben die Musik als ein starkes Gefühl, das von Innen her kommt. Baze vermittelt den Hörerinnen und Hörern diese persönliche Energie der Leidenschaft, wenn er mit seiner Band auf der Bühne steht. Seine Musik – eine mittlerweile melodiösere Klangwelt als zu seinen früheren Zeiten, die mehr auf klassischen Rap ausgelegt waren – erzählt noch immer von Geschichten seines Lebens und lässt einem als Zuschauer oder Zuschauerin an seinen persönlichen Ansichten über die Gesellschaft teilhaben. Vor Gesellschaftskritik hat sich der Berner noch nie gefürchtet. Dafür wird er in der kleinen CH-Musikszene frenetisch gefeiert. Wer ihm zuhört und ihn nicht versteht, der steht wohl vor der falschen Bühne. Baze ist nicht jedermanns Sache, doch wer seine Art mag, kriegt oft nicht genug von ihm. Seine Texte inspirieren, deprimieren, motivieren und regen zum Umdenken an. In allen Sparten des Alltags. Er selbst bleibt dabei irgendwie ungreifbar.

Baze, Donnerstag, 17. August 2017 20:30 Uhr auf der Bühne Kirchplatz

Musik auf Ritalin: Kraftklub

Bei Kraftklub scheint Nomen tatsächlich Omen zu sein – denn Power haben die Punk-Rocker aus der «hässlichsten Stadt der Welt» allemal. Die Band aus Chemnitz gibt mit kräftig-deftigen Tönen den Takt an und verliert dabei nicht den Fokus fürs Essentielle. Denn Kraftklub bringen mit ihrer unverblümten Musik die Zustände unserer Zeit auf den Punkt – und sagen’s einfach mal gerade heraus. Finden wir stark!

Kraftklub, Freitag 18. August, 22:40 Uhr auf der Bühne Steinberggasse

Charmant und verfänglich: Faber (CH)

Sophie Hunger genügte ein Song von ihm, um ihn mit auf Tour zu nehmen. Das sagt eigentlich schon ziemlich viel und es ist nicht übertrieben, hier von einem der vielversprechendsten Schweizer Musiktalente zu sprechen: Wenn Faber spielt, stehen Poesie und Anarchie auf der Bühne und singen zusammen Geschichten aus dem Leben – das ist gleichzeitig charmant und irgendwie böse, geschickt eingepackt in Melodien voller Sehnsucht. Ein Name zum merken und vor allem Musik zum unbedingt anhören. Also den letzten Abend der MFW nicht verpassen.

 

Faber, Sonntag,  20. August, 16:45 Uhr auf der Bühne Steinberggasse

 

 

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