Auf einen Regenbogenfahnen-Kaffee

mit Anna Rosenwasser

Du wirst oft als Journalistin bezeichnet. Du kommst aus diesem Feld, aber deine Arbeit als Feminismus- und LGBT-Expertin nimmt mittlerweile viele verschiedene Formen an. Bezeichnest du dich selber noch als Journalistin?

AR: Es stimmt, dass ich von Beruf aus schreibe. Aber ich verbinde Journalismus mit einem Neutralitätsanspruch, und es ist jetzt eigentlich mein Job, nicht neutral zu sein. Ich habe keinen Bock drauf, dass jemand meint, ich wolle zum Beispiel unvoreingenommen über Politik berichten. Lieber bezeichne ich mich als Autorin, weil das einfach eine Person ist, die schreibt.

Warum hat dir die «Journalistin» und ihre Neutralität nicht mehr entsprochen?

AR: Mit Journalismus angefangen habe ich mit 18. Ich habe mich damals für Interviews extra anders angezogen und benommen, um als junge Frau in verschiedenen Situation ernst genommen zu werden. Meine Haare sind erst farbig, seit ich keinen Journalismus mehr mache, und meinen Davidstern würde ich nie anziehen, wenn ich als Journalistin unterwegs wäre.

Du arbeitest jetzt auch viel auf Social Media. Was hat sich in deinem Leben dadurch verändert?

AR: [Lacht] Mich sprechen Leute ab und zu auf der Strasse an, wenn sie mich von Instagram erkennen, aber sie stellen sich mir nicht vor. Ich frage dann: «Hey, wie heisst du?», und sie antworten: «Das ist egal, ich bin einfach ein Fan.» Das ist nicht die Idee von Community-Arbeit! Ich erfahre sehr viel echte Wertschätzung, aber ich wünsche mir, dass da mehr auf Augenhöhe passiert.

Du verstehst deine Arbeit auf Social Media also als Community-Arbeit?

AR: Ja, mega fest. Ich wüsste nicht als was sonst. Klar, es ist zum Teil auch mein Lebensunterhalt, aber primär verstehe ich es als Community- und Aufklärungsarbeit.

Hast du diese Arbeit bewusst gewählt?

AR: Auf diese Frage sage ich oft «Nein, damit habe ich voll nicht gerechnet, haha», und das stimmt schon auch, aber als Frau darf man ja nicht sagen, dass man gerne Erfolg und Aufmerksamkeit hat. Ich war für die Lesbenorganisation Schweiz (LOS) auf Instagram unterwegs und lernte da, mit der App umzugehen. Dann machte ich mir einen eigenen Account, als ich für die Nationalratswahlen kandidierte. Wenn ich zurückschaue, habe ich schon damals für 2’000 Follower*innen das gemacht, was ich jetzt mache. Nun tue ich es einfach im Wissen um ein grösseres Publikum. Von daher, doch, im Laufe der Zeit war es schon meine Intention, Leute zu erreichen.

Eignet sich Social Media für deine Community-Arbeit besser als Journalismus?

AR: Soziale Medien sind nicht auf inhaltliche Tiefe ausgelegt, aber ich sehe dort trotzdem ein sehr grosses Potential für meine Arbeit. Indem ich als Person mit einem Gesicht hinstehe, kann ich Themen, die mir wichtig sind, zugänglich machen und sie auf eine lustvolle, humorvolle und freudige Art vermitteln. Das begrüsse ich sehr. Es braucht Formate, die elitären Zugang zu Informationen durchbrechen. Ob im Journalismus, auf den sozialen Medien oder als Mischform ist eigentlich egal, solange es passiert.