Idyllische Ruhe in der Eingangshalle vom Tech

Idyllische Ruhe in der Eingangshalle vom Tech

Im 20. Jahrhundert ging vielen der Sinn für Grenzen und Menschlichkeit verloren, wie unter anderem der Imperialismus, die beiden Weltkriege und der Kalte Krieg zeigen.

In der Kunst gibt es einerseits die aus der Unruhe aufsteigenden Stürmer*innen, die sich zu Paul Bodmers Zeit in der rasanten Abfolge künstlerischer Ansätze widerspiegelten, und andererseits die Ordner*innen. Jene waren die Wiederhersteller*innen und Wahrer*innen des Masses, zu welchen Bodmer gehörte.

Eines seiner Wandgemälde befindet sich in der klassizistischen Eingangshalle der Zürcher Hochschule der angewandten Wissenschaften (ZHAW) und zeugt mit den wenigen und gedämpften Farbakkorden, der Gliederung durch die Mauer, dem begrenzten Horizont und den träumerischen Blicken der Figuren von einer Sehnsucht nach Strukturierung und Idylle. Diese verträumte Ruhe belebt der Künstler mit sichtbaren Pinselstrichen, die durch die schnelle Arbeitstechnik bei Fresken aufgrund des trocknenden Putzes zustande kommen. Die Naturverbundenheit kommt in seinen Werken häufig vor und symbolisiert hier einerseits die Erforschung der Natur, welche zu den naturwissenschaftlichen Grundlagen gehören, und lässt sich andererseits auf seine ländliche Herkunft zurückführen.

Bodmer wurde im Jahr 1886 in Zürich geboren und fand seine Passion für das Zeichnen bereits im Kindesalter. Als freier Künstler bekannt wurde er, nachdem er den Wettbewerb für das Fraumünster-Wandgemälde gewann. Frauenfiguren waren ein beliebtes Sujet Bodmers: Er bewunderte ihre «Lieblichkeit» und malte sie demzufolge sanft in langen antiken Gewändern und umgeben von Natur. Bodmer trägt so zur traditionellen Vorstellung von Weiblichkeit bei, da Frauen in der Kunstgeschichte oft in der Natur platziert wurden, um sie als nährend, passiv und fruchtbar darzustellen. Diese Vorliebe bereitete ihm mitunter Schwierigkeiten: Eine Arbeit an der Universität Zürich, welche ausschliesslich aus Frauen bestand, musste er beispielsweise mit Jünglingen ergänzen. Das Fresko in Winterthur ist ein Nachklang dessen und zeigt seine widerwillige Aufnahme der Männer, indem er sie durch eine Mauer abgrenzte und in den Hintergrund drängte.

Obwohl ich das melancholische Werk sehr ansprechend finde, frage ich mich, ob ein Gemälde in einer Eingangshalle nicht fröhlich und einladend wirken sollte. Nichtsdestotrotz lässt das Fresko die Besucher*innen in Bodmers idyllische Welt eintauchen und schenkt einen Moment der Ruhe.

Chelsea Angel Neuweiler studiert Kunstgeschichte und Germanistik an der Universität Zürich.

Jonas Reolon ist Fotograf und Kameramann aus Winterthur.

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